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Unser ultimatives Ländermatch: Argentinien vs. Chile

Wir hatten ja so einen groben Reiseplan mit 22 Ländern auf der Liste. Nach zwei Monaten haben wir nun Argentinien und Chile “erledigt”, demnächst geht es weiter nach Bolivien. Aber man muss sagen, dass das halt riesige Länder sind und die Kommenden sind in kürzerer Zeit zu bereisen. Wir haben viel gesehen in diesen für viele Europäer recht unbekannten Ländern und viele haben uns gefragt, wie Argentinien und Chile so im Vergleich sind. Verstehe ich, auch ich hatte vorher kaum irgendein Bild zu den Ländern.

Drum hier der ultimative, höchst subjektive und nicht ganz ernst zu nehmende Vergleich - ein Ländermatch ARGENTINIEN - CHILE sozusagen.

Landschaft: Beides sind so riesige Länder, dass sie vieles abdecken und daher ist wohl ein Unentschieden gerecht. Ich würde leichte Vorteile bei Chile sehen durch die lange Küstenlinie mit den ganzen Inseln, knapp dahinter dann die Anden, das ist schon sensationell. Aber die Eindrücke in Argentinien z.B. in Ushuaia oder bei den Gletschern waren spitze, die Felsformationen im Norden einmalig - es wäre ungerecht Argentinien hier zum “Verlierer” zu erklären.
Unentschieden - 1:1

Argentinien - Porito Moreno Gletscher im Los Glaciares Nationalpark

Argentinien - Blick auf den Aconcagua

Chile - Cerro Toco

Chile - Osterinsel

Leute: Ich liebe es, wenn in eigentlich jedem Reiseführer über genau jedes Land gesagt wird “Die Bewohner zeichnen sich durch ihre Freundlichkeit und Gastfreundschaft aus!”. Genau - so ein Unsinn, es gibt schon verschiedene Kulturen und man kann es schon unterschiedlich empfinden.
In Summe empfand ich da die Argentinier als offener und herzlicher als die Chilenen. In Argentinien wurde sehr oft mal gefragt, woher man denn komme, was man arbeitet, was man hier macht - aber wirklich alles aus Interesse, zumindest empfanden wir das so. Das ist in Chile seltener, ich empfinde da Chilenen als distanzierter. Auch fand ich die Einreiseprozedur in Chile recht mühsam und unfreundlich, das ist alles sehr amerikanisch und mich nervt es wirklich, wenn ich irgendwie “verhört” werde, was ich da mache.
Punkt für Argentinien - 2:1

Nationalstolz - Emotion. Das geht so eindeutig an Argentinien. In jedem kleinen Friseurgeschäft hängt ein Bild von Maradona oder Messi, dazu das argentinische Trikot. Dieses ganze “Las Malvinas son argentinas” - Nationalstolz können sie. Chile ist recht stolz, dass sie so eine lange Küstenlinie haben, aber das kommt nicht mit viel Emotion daher.
Punkt für Argentinien - 3:1

Essen: Der Punkt geht ganz klar an Chile. In Argentinien sind die Steaks wirklich toll, aber das war es. Das Essen war sonst ok, aber recht geschmacklos, dazu ziemlich teuer. In Argentinien geht aus unserer Sicht Quantität vor Qualität. Recht gut gegessen haben wir in den Bodegas, aber in Chile haben wir schon unzählige Male mit der Zunge geschnalzt. Dazu gibt es in Chile viel Fisch, hervorragende Ceviche, wirklich schmackhaft.
Punkt für Chile - 3:2

Bier: Chile - ganz klar, das Austral Patagonia Hoppy Lager ist wohl das beste Bier, das ich ich meinem Leben getrunken habe. Sehr sanft, mild, aber ein toller Geschmack. Auch das Cafayate von Austral ist sensationell gut, ein dunkleres, leicht süßes Bier - das man auch in Lokalen frisch gezapft bekommt. Dazu das Kunstmann, wo v.a. das Honigbier völlig überzeugt hat - dieses Bier schmeckt nicht nur mit ein bisserl Fantasie nach Honig, sondern durch und durch. Man riecht es an und denkt es sei eine Honigwabe. Selbst die Massenbiere sind ok, das Escudo kann man schon trinken - nix besonderes, aber ok.
In Argentinien ist das Quilmes ok, aber auch nicht mehr. Das Imperial ist ganz gut, aber auch nix ohne das man nicht leben könnte. Schmecken irgendwie wie unkomplizierte Massenbiere. Und das Salta, sorry, komplett zu vergessen - wer das mag, der mag auch das amerikamische “Bud Light” - wässrig und unspektakulär bis zum geht nicht mehr. Auch bei den “cervezas artesanales” ist mir keines in Erinnerung geblieben. Chile ist ab sofort für mich ein Bier-Land - die vier auf dem Bild sind einfach sensationell.
Punkt für Chile - 3:3

Wein: Ah, schwierig. Hohes Level auf beiden Seiten, häufig Malbec in Argentinien und der Carménère in Chile, aber im Zweifel ist Argentinien schon etwas vorne. Tolle Weine zu einem Spitzenpreis - neben Steaks ist Rotwein wirklich herausragend in Argentinien.
Punkt für Argentinien - 4:3

Lebensqualität: Wenn man Supermärkte, die Qualität des Lebens anschaut, dann hat Chile klar die Nase vor. Chilenische Supermärkte sind weitgehend auf einem europäischen Level, aber billiger. Bei einem Einkauf in Chile mussten wir auf wenig verzichten, Argentinien war sehr schwierig, man bekam nicht alles und das was man bekam, war im Vergleich zu Europa eher zweite Qualität. Ein einfaches Beispiel: Karotten. Kosten in Argentinien etwa € 2,- pro Kilo in einer Qualität, die bei jedem Billa Proteste auslösen würden. Weich, Druckstellen, Schimmel. In Chile vielleicht ein wenig unter europäischem Niveau.
Punkt für Chile - 4:4

Sicherheit: Schwierig das als Tourist zu beurteilen. Wir hatten in beiden Ländern keine Probleme, gewarnt wurden wir von Locals sowohl in Argentinien als auch in Chile. Und da hat es sich sehr auf die Großstädte konzentriert, am Land haben wir uns sehr sicher gefühlt. Momentan sind wir in Valparaiso, einer Hafenstadt, wo wir auch vor gewissen Gegenden gewarnt wurden, aber wir haben nichts Negatives erlebt. Auffällig, aber hat mit Sicherheit nur am Rande zu tun, denn auch da hatten wir keine Probleme: In Argentinien gibt es viel mehr Bettler, auch Menschen die gar nicht nach betteln ausschauen, fragen dich um Geld, um etwas zu essen - da sieht man die Auswirkungen der Krisen der letzten Jahren extrem, man spürt die Armut überall. Gerade Buenos Aires war schockierend, wenn jemand im Gastgarten eines Lokals zu dir kommt und fragt, ob er das nicht Gegessene haben darf. Ehrlich, das kann ich nicht vergessen, da hat jemand um unsere Burger-Reste gefragt und von allen Tellern alles in ein Plastiksackerl zusammenpackt - das ist aus mitteleuropäischer Sicht einfach unpackbar. Klar gibt es auch bei uns Armut, aber das ist ein ganz anderes Level.
In Chile gibt es mehr Obdachlose, die wirklich extrem heruntergekommen aussehen - viele in zerrissenen Kleidern, ohne Schuhe, komplett verdreckt. Aber die betteln komischerweise nicht, liegen meist unter irgendwelchen Kartons auf der Straße. So traurig es auch ist: Sehr amerikanisch.
Unentschieden - 5:5

Straßenhunde: Die argentinischen Straßenhunde sind deutlich fetter, aber in beiden Ländern sind sie ziemlich freundlich. Keine Aggressionen, keine Bedrohung - sie sind halt da. Keine Ahnung wem dieser Punkt gehört. Aber alle Hunde auf den Fotos sind Argentinier.
Unentschieden - 6:6

Bürokratie: Beide Länder sind einfach unglaublich, was Bürokratie angeht. Aber Chile dürfte der Weltmeister sein. Selbst bei irgendwelchen Sehenswürdigkeiten muss man seine Passnummer angeben, wenn man mit Kreditkarte bezahlt, wird oft nach der Passnummer gefragt, einige Male musste ich den Kreditkartenbeleg (bestätigt schon mit dem PIN) dann nochmal unterschreiben und meine Passnummer angeben. Was so unglaublich absurd ist: Niemand prüft diese Zahlen oder hält fest, welcher Pass das eigentlich ist. Ein handschriftlich ausgefüllter Zettel, man muss die Passnummer angeben und das war es - den Pass braucht niemand, es geht allein um die Nummer. Das ist mir als Österreich grundsympathisch, Daten sammeln, mit denen man genau nichts anfangen kann, aber wenn es das System verlangt, dann muss man das machen. Da geht mir das Herz auf.
Punkt für Chile - 6:7

Sanitärsituation: Mitteleuropäer haben gewisse Ansprüche an Toiletten - die ja schon in Italien oft nicht erfüllt werden. Und auch wenn ich als Mann da oft nicht so empfindlich bin, frage ich mich schon, wie eine saubere und gewartete Toilette so ein Problem sein kann. Hier marschieren Argentinien und Chile im Gleichschritt: Keine Toilette, wo nicht irgendwas klappert, fehlt, irgendwie gepfuscht wurde. Da fehlen die Deckel am Spülkasten, die Klobrillen sind nirgends befestigt und eigentlich nie passend zur Toilette. Das Klopapier ist sensationell schlecht, oft einlagig. Einlagig! Bei uns empfinde ich ja zweilagiges Klopapier schon fast als Angriff auf mein Wohlbefinden. Auch ist in wirklich nahezu jedem AirBnB-Quartier maximal eine Rolle Klopapier vorhanden - wir reisen inzwischen schon mit einer Klopapierrolle im Gepäck - man weiß ja nie was einen erwartet. Allerdings gibt es in Argentinien fast überall Bidets - ich kann damit nicht umgehen und will es auch nicht mehr lernen. In Summe wohl am ehesten ein Unentschieden.
Unentschieden - 7:8.

Straßenverkehr: In beiden Ländern gewöhnungsbedürftig. Die Straßenqualität ist vielleicht in Chile etwas besser, aber in Summe ist es so schlecht, dass “ein bisschen besser” nichts bedeutet. Beeindruckend ist in beiden Ländern, dass der Blinker anders verwendet wird als bei uns. Meistens nämlich gar nicht. Dafür gilt das “warnblinken” als universelle Lösung für nahezu alles, egal ob man langsamer wird, einparken will, einfach stehen bleibt - Warnblinker und das passt schon. Ich fand es auch völlig irritierend, dass man auf Landstraßen, um eine Überholmöglichkeit für den Hintermann anzuzeigen, links blinkt. Also vor dir fährt ein LKW, er will dir anzeigen, dass du überholen kannst und er blinkt dafür links. Halte ich für völlig unlogisch, gefährlich, dumm - aber so ist es hier. Dann ist UBER noch ein spannendes Thema hier, dass der Fahrer in Buenos Aires überzeugt war, dass es nirgends mehr Verkehr als in BA gibt - nun gut, er war wohl noch nie in Asien. Aber generell funktioniert UBER hier aber in beiden Ländern sehr gut - auch wenn ich in Argentinien etwas erlebt habe, wo ich nicht wusste, dass es das bei UBER gibt: Eine Erhöhung des Fahrpreises nach der Fahrt. Hatten wir in Buenos Aires. Stau und nach Ankunft wurde uns mitgeteilt, dass sich der Preis erhöht hat, weil die Fahrt länger gedauert hat als geplant. Sehr seltsam für mich und hebelt irgendwie das UBER-System aus, aber gut.
Unentschieden - 8:9

Tätowierungen: Wenn es einen Punkt für die Menge an tätowierten Personen gibt, dann gewinnt Argentinien. Zwar sind auch in Chile viele ‘peckte unterwegs, aber Buenos Aires ist da ganz eine eigene Klasse. Massive Tätowierungen, auch im Gesicht - irre.
Punkt für Argentinien - 9:9

Straßenkunst: Auch wenn es in Buenos Aires tolle Graffitis gab, der klar Sieger ist hier Chile. Es ist ein unglaublicher Teil der Kultur, ob im Barrio Yungay in Santiago oder generell in Santiago.
Punkt für Chile: 9:10 - Sieg für Chile!

Weder der Tourismusverband von Chile noch jener von Argentinien waren bereit uns zu sponsern, drum können wir uns für eine Seite entscheiden: Gratulation an Chile! Wir haben uns in beiden Länder extrem wohl gefühlt - als Tourist sind beide Länder absolut “bereisenswert”, Chile besticht durch eine fantastische Küche und die unglaubliche Landschaft (so eine Küstenlinie plus Osterinsel ist schon einmalig), aber Argentinien hat noch immer Steaks, Rotwein und einen unbändigen Stolz und eine Freude am Leben.
In Summe war für uns Chile etwas “besser”, einfach weil der Standard höher ist bei niedrigeren Kosten. Und wir sind “Foodies”, da gewinnt Chile so eindeutig, dazu das fantastische Bier und die guten Rotweine (auch wenn Argentinien beim Wein etwas die Nase vorne hat).

Und damit lassen wir Chile und Argentinien mal hinter uns. Wir können nicht versprechen nochmal wieder zu kommen, aber nicht weil es uns nicht gefallen hätte, sondern weil sie halt verdammt weit weg sind von unserem Lebensmittelpunkt. Aber ein Eckerl im Herzen ist auf Ewigkeiten reserviert - muchas gracias y besos.

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Valparaiso - vom Charme des nicht so Perfekten

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Mal was anderes, ganz persönlich - zwei Monate unterwegs