Argentinien haben wir ja schon hinter und gelassen und als letzte Station in Chile steht Valparaíso auf dem Programm. Valparíso ist eine Hafenstadt, etwa zwei Fahrstunden von Santiago entfernt und der historische Stadtkern ist 2003 von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt wurde.
Valparaíso war früher wichtiger als es heute ist. 1544 gegründet, wurde die Stadt erst im 19.Jhdt als Hafen für die Schiffe, die das Kap Hoorn umrundeten, wichtig. Mit dem Bau des Panamakanals 1920 verlor Valparaíso aber wieder an Bedeutung und ist heute nicht einmal mehr der größte Hafen Chiles. Zusammen mit der Nachbargemeinde Viña del Mar stellt man aber den zweitgrößten Ballungsraum Chiles (nach Santiago) dar.
Valparaíso liegt auf mehreren Hügeln (“Cerros”), der Stadtkern wurde dem Meer durch Aufschüttungen abgerungen. Beeindruckend ist die Farbenvielfalt dieser Stadt - hier bedarf es keiner Genehmigung der Stadt, sondern nur des jeweiligen Hausbesitzers um die Fassade bunt verzieren zu dürfen. Dadurch ist wirklich fast jedes Haus bunt und der Großteil ist mit kreativen Graffitis verziert.
Für mich hat es sich zum ersten Mal so richtig nach Südamerika angefühlt - vielleicht durch die Lage auf den Hügeln, die ich mit Bildern von Favelas in Brasilien verbinde. Wobei das hier keine Favelas sind, also keine Armensiedlungen - trotzdem fühlt es sich an, wie wenn jeder dort hin gebaut hätte, wo er es gerade passend gefunden hat.





Die Stadt ist ein wildes Durcheinander, über unglaubliche 42 Hügel erstreckt sich ein Gewirr aus Gassen und Stiegen. Kaum ein Haus, das nicht verziert, bemalt, besprüht ist - es ist ein buntes Chaos mit teils unglaublich künstlerischen Bildern. Irgendwie ein Gesamtkunstwerk.









Zur Fortbewegung gibt es einerseits ein Minibus-System, das wir auch genutzt haben, sich aber dem mitteleuropäischen Geist einfach nicht zur Gänze erschließt. Denn es ist nicht in Erfahrung zu bringen, welche Linien wann und wo fahren, aber dennoch klappt das in der Realität ganz ausgezeichnet. Außerhalb des Zentrums gibt es sowas wie Haltestellen, in der Stadt hält man den Bus einfach auf indem man ihm winkt. Wir haben uns einfach an eine Ecke gestellt, wo wir Busse immer wieder stehen bleiben gesehen haben und auch andere Leute standen. Hat gut geklappt und ist auch recht billig (etwa € 0,60 pro Person und Fahrt).
Dazu gibt es Funiculare, auf deutsch sowas wie “Standseilbahnen” (wie die Schlossbergbahn in Graz in klein). Angeblich 15 in der ganzen Stadt, wovon (angeblich) sieben noch in Betrieb sind - die Erhaltung ist teuer und viele sind in Privatbesitz. Wenn das Geld für eine Reparatur fehlt, dann steht das Teil halt - blöd für die Bewohner, denn die Hügel sind hier teilweise dramatisch steil. Die Fahrten sind kurz und sehr billig (100 Pesos = € 0,10).






Valparaiso ist sicherlich in unserem Sinne politisch weit links angesiedelt, wir haben von heftigen Kämpfen mit der Polizei jedes Jahr gehört und irgendwie erinnert alles ein wenig an ein buntes St.Pauli. Es ist eine Mischung aus Versifftheit und Kunst - nicht umsonst haben sich hier viele Künstler angesiedelt, die Straßenkünstler werden als Stars angesehen.






Schwer zu beschreiben, es ist sicher ein Ort, an dem ich mich in der Nacht nicht überall herumtreiben möchte, aber es hat dennoch eine sehr entspannte Atmosphäre. Wenn ich nur die Bilder anschaue, denke ich mir “Oida, das ist ja verrückt!”, aber wenn man da mitten drin ist, ist es viel normaler. Viel spielt sich auf den Straßen ab, Alkohol ist omnipräsent, auch wenn es nicht offiziell erlaubt ist, wird oft gekifft auf der Straße. Ich hab mich am Anfang in Buenos Aires vielleicht etwas unsicher gefühlt und irgendwann gewöhnt man sich an die ganzen Stacheldrähte, Sicherheitskräfte und was auch immer. Hier fiel es mir erstmals wieder auf - ich fühlte mich nicht unsicher, aber mir fiel auf, wie schräg das eigentlich ist, dass da nicht nur die Fenster alle vergittert sind, man über den hohen Mauern mit Metallspitzen oben dann nochmal einen elektrischen Draht spannt, aber dieses Haus hat mich schon wieder aufgeweckt: Alles vergittert, dann nochmal einen Zaun vor der Haustüre und Videoüberwachung. Halleluja.


Ich denke viel drüber nach, warum mir einzelne Orte auf Anhieb sympathisch sind und ich andere so gar nicht mag. Buenos Aires hat mir sofort gefallen, Santiago hatte es schwerer. San Pedro de Atacama hatte ich nach 5 Minuten ins Herz geschlossen, Purmamarca hat es auch nach Stunden nicht geschafft. Ushuaia gefiel mir gut, El Calafate war nichts für mich.
Es ist sicher nicht so einfach, dass ich sagen kann “Versifft? Mag ich!”, sondern es geht für mich um das Flair einer Stadt. Buenos Aires hatte für mich dieses Widerständische, während Santiago im ersten Moment etwas gelackt Amerikanisches hatte. Egal wie, Valparaíso hat mich sofort erwischt, es hat sich gemütlich, entspannt, nicht perfekt, aber irgendwie angenehm angefühlt. Und es war eigentlich nach zwei Monaten in Südamerika die erste Stadt, die für mich wirklich Südamerika gemäß meiner Vorstellung war.
Ich könnte da stundenlang Stiegen runter Stiegen rauf gehen und gefühlt jedes Eck birgt eine neue Überraschung. Es ist eine dermaßen verrückte Stadt - vom vermummten Straßenkünstler (irgendwie ein Banksy für Arme), der “Wunschbox” auf der Straße, dem Hot Dog Stand mit Alien zur Rutsche für die Kinder. Auch wenn es oft dreckig und ein bisserl “daneben” ist, ich verstehe nicht wie man diese Stadt nicht lieben kann.








Nördlich von Valparaiso und mit Mini-Bussen problemlos erreichbar befindet sich Viña del Mar, das für mich einen krassen Gegensatz darstellt. Man fühlt sich irgendwo zwischen Miami Beach und einer griechischen Insel.
Bei Viña del Mar gibt es jetzt aus meiner Sicht aber halt zwei Probleme:
(1) Der Pazifik hatte wohl extrem gutes Marketing, denn bevor ich zum ersten Mal am Pazifik war, habe ich das für ein Traumziel gehalten. Aber nein, der Pazifik ist extrem rau, kalt und mit vielen Strömungen. Deshalb kann man hier an den meisten Stellen nicht schwimmen, schlicht weil es lebensgefährlich wäre. Im Vergleich dazu ist das Mittelmeer eine Traumdestination. Aber gut, bei Viña del Mar gibt es einen Strand, an dem man ins Wasser darf. Schönheit liegt ja im Auge des Betrachters,
(2) Generell ist der Pazifik kalt, aber hier besonders durch den Humboldt-Strom. In Valparaiso (und Viña del Mar ist nur wenige Kilometer entfernt) ist die jemals höchste gemessene Temperatur bei knapp über 31°C, normal sind maximal 25°C. Wir sind hier in der ersten Jännerhälfte, das ist - wenn man so will - Hochsommer und wir haben tagsüber maximal 24°C und Nachts sinkt die Temperatur auf etwa 14°C - persönlich finde ich das schon ganz ok, aber für planschen im Meer ist das nicht ganz so geeignet.




Spannender wird es weiter nördlich bei Concon, wo es Sanddünen gibt. Irgendwie schauen die natürlich schon spannend aus, aber ich geb zu: Wir waren nicht dort, sondern haben sie nur aus der Ferne gesehen. Schön - aber rechtfertigt den Aufwand nicht. Sag ma halt mal.
Links die Dünen :)