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Rapa Nui - schon ziemlich am Ende der Welt


Ich hatte ja nie den einen, wichtigen Gedanken, dass ich mal auf die Osterinsel möchte und ich hätte auch nicht viel mehr gewusst als “das sind doch diese Steinköpfe am Ende der Welt”. Bei der Planung unserer Reise kam mir die Osterinsel unter und da dachte ich, na wenn wir schon in der Gegend sind, dann mach ma das auch. Hab dann gleich mal nach Flügen gesucht und es dann auch sofort wieder verworfen: Es fliegt ausschließlich LATAM von Santiago de Chile aus hier her und es wurden da ganz sportliche Preis um € 700,- pp aufgerufen - danke, dann halt nicht.

Es hat mich aber nicht losgelassen und ich wollte mir bei Google Flights einen Alarm einstellen, falls der Preis doch mal sinkt. Und ich kam gar nicht dazu, denn an dem Tag wurde irgendeine Aktion oder was auch immer freigeschalten, nur buchbar über die chilenische LATAM-Seite (dafür reicht mein Spanisch locker) und wir konnten voll flexible Return-Tickets um gerade einmal € 250,- pp ergattern. Da war es dann auch nicht tragisch, dass ich den Termin festlegen musste (sie wären ja eh umbuchbar), ich hab mal so grob geplant und dann den Termin ausgewählt, der es schlussendlich wurde. Natürlich hatten wir den Termin ein wenig im Hinterkopf, aber große Umwege haben wir dafür nicht in Kauf genommen - im nachhinein hätte ich die eine oder andere Route sowieso anders geplant, aber wenn man einen Kontinent noch nicht kennt, dann muss man halt gewisse “ungeschickte” Planungen in Kauf nehmen.

Also ab auf die Osterinsel. Gebucht für zwei volle Tage (plus An- und Abreisetag), nun wurden es drei volle Tage vor Ort, denn LATAM hat einfach beschlossen, dass sie uns umbuchen. Warum auch immer, den ursprünglich gebuchten Flug gab es nämlich, aber wir bekamen ein nettes Mail, dass sich die Flugzeiten (bzw. eigentlich die FlugTAGE) geändert hätten und ich entweder umbuchen oder stornieren könnte. Die vorgeschlagenen anderen Termine waren völlig unpassend und den Tarif würde ich sicher nicht stornieren - also halt ein Tag mehr, da haben wir ja tatsächlich keinen Stress.

Blick aufs Meer bei der “Hauptstadt” Hanga Roa

Wir hatten noch kein Quartier und daher war das nicht so tragisch. Dachte ich, denn die Quartiersuche war alles andere als einfach. Hotels sind doch recht teuer, damit Suche über AirBnB. Wobei Quartiere auf der Osterinsel meist nicht fix zu buchen sind, sondern man muss sie über AirBnB anfragen. Gesagt, getan. Erste Anfrage - keine Antwort. Zweite Anfrage - keine Antwort. Bei der dritten Anfrage wurde ich dann schon etwas unruhig, denn man kann nicht einfach so auf die Osterinsel reisen, sondern man muss eine Buchung eines von der Tourismusbehörde genehmigtem Quartier vorweisen - und langsam wurde es zeitlich etwas eng. Doch zum Glück kam die Zusage und ich konnte die Einreiseformulare beantragen.

Die machen da einen ziemlichen Wind um die Einreise. Maximal 30 Tage und das Quartier muss gebucht sein. Gesonderte Polizeikontrolle in Santiago, wo dieser vorab übermittelte Antrag nicht ausreichte, sondern ich musste die Konversation (!) mit dem Quartier nachweisen. Also nicht einfach eine Buchungsbestätigung, sondern dass ich da wirklich, wirklich, wirklich übernachten darf. Für die Nationalparks gibt es übrigens eigene, sehr teure Tickets (€ 75,- pp), aber auch mit diesen Tickets kann man die Moai (eben diese bekannten Steinköpfe) nur anschauen, wenn man mit einem Guide unterwegs ist - der natürlich gesondert zu bezahlen ist. Schon ein wenig verrückt, was die da abziehen, denn es wird wohl kein Massenphänomen sein, dass man sich auf die Osterinsel einschleicht um was auch immer zu machen - das ist eine absolut abgelegene Insel im Pazifik. Vielleicht ist es auch Schikane, da das Verhältnis Chile - Rapa Nui nie ein Einfaches war - was mir aber erst später bewusst wurde.

Aber da waren wir nun auf der Osterinsel (oder ursprünglich Rapa Nui - ist ja seltsam, dass man neue Namen vergibt, wenn man etwas “entdeckt” - die Insel gab es ja schon vor ihrer “Entdeckung” und die Einheimischen lehnen den Namen “Osterinsel” ab) - dem abgelegensten Flecken Erde, den es gibt. Also im Sinne von “da leben Menschen, wie weit ist es bis zu den nächsten Menschen irgendwo anders”. Rund um die Osterinsel gibt es: Nichts! Die Küste Chiles ist 3.500 km entfernt, Santiago de Chile 3.800 km. Dann gibt es da noch Tahiti (4.250 km entfernt) und die Pitcairn Inseln (2.100 km entfernt) - letztere sind aber mit 35 Einwohnern faktisch unbewohnt. Würde man in Richtung Westen fliegen, würde man nach 7.000 km Neuseeland erreichen - für mich noch immer irgendwie schräg mit meinem eurozentrischen Weltbild, dass die Welt “da hinten” wirklich wieder zusammenkommt. Und für mich auch absolut nicht greifbar, dass rund um die Osterinsel 2.000 km einfach gar nichts ist (nun ja, das Meer ist da schon) und “Zivilisation” in meinem Sinne einen 5h Flug entfernt ist.

 

Die einzige Fluglinie, die die Osterinsel anfliegt, ist LATAM - zwei Flüge pro Tag mit einer Boeing 787 mit jeweils rund 250 Passagieren - wie gesagt, ein 5h Flug von Santiago de Chile. Es gibt nur einen winzigen Hafen, der auch von Kreuzfahrtschiffen nicht angelaufen werden kann - wenn eine Kreuzfahrt also mal die Osterinsel am Programm hat, dann muss außerhalb des Hafens mit kleinen Booten ausgeschifft werden. Was bei der recht rauen See kein Spaß ist, deshalb ist die Osterinsel auch kaum mal auf dem Programm von Kreuzfahrten. Kurz und gut: Das ist ein sehr, sehr abgelegener und sehr ruhiger Flecken Erde. Pro Tag kommen nur ein paar Hundert Touristen an und die meisten bleiben auch nur ein paar Tage - Übertourismus halte ich hier nicht für die größte Gefahr.

Und gerade deswegen habe ich mich so darauf gefreut. Selbst als man uns vorab gesagt hat, dass auf der Osterinsel 1-2 Tage Aufenthalt reichen, weil es außer den Moai nichts zu sehen gibt und die Rapa Nui recht unfreundlich seien, da sie eine schwere Geschichte hatten und jetzt von nichts außer dem Tourismus leben könnten. Aber weit gefehlt nach unseren Erlebnissen, das waren großartige Eindrücke hier auf der Osterinsel.

Kurz zur Geschichte, da herrscht ein wenig “wir wissen, dass wir nichts wissen” - es fehlen jegliche Aufzeichnungen. Angenommen wird, dass die Insel ab etwa 1100 n.Chr. besiedelt wurde - von Einwanderern aus Polynesien und Südamerika. Ihren heutigen Namen hat die Insel seit 1722, als der Niederländer Jakob Roggeveen sie “entdeckt” hat - just zu Ostern, daher eben der Name. Die Insel gehört politisch zu Chile, geographisch aber zu Polynesien. Mit der Entdeckung wurden Krankheiten eingeschleppt und man verschleppte die Rapa Nui als Arbeitskräfte. Die typische Geschichte von Indigenen. Bis 1967 herrschte das Kriegsrecht (seit 1914 wollten die Indigenen “ihr” Land zurück) und just unter dem Diktator Pinochet besserte sich die Lage der Rapa Nui mit zusätzlichen Investitionen auf dieser abgelegenen Insel und der Ernennung eines gebürtigen Rapa Nui zum Gouverneur im Jahr 1984.

Bekannt ist die Insel für die Moai, große Steinköpfe, die überall auf der Insel stehen. Auch hier weiß man nicht viel - es ist nach wie vor unklar, wie diese Riesensteinköpfe transportiert wurden. Die Moai sollten den jeweiligen Stamm beschützen - daher stehen sie auf Plattformen am Meer und schauen auch nicht aufs Meer, sondern ins Landesinnere. Hat ein “Stamm” einen Krieg verloren, wurden die Moai vom Gewinnerstamm gestürzt - daher auch so viele umgestürzte Moai. Quer über die Insel verteilt stehen rund 1.000 Moai - auch im Landesinneren, nämlich jene, die noch nicht fertig und final platziert waren.

Seit 1995 ist der Nationalpark der Osterinsel (und meine einfache Touristensicht: überall wo die bekannten Steinköpfe stehen, ist es ein Nationalpark) ein UNESCO-Welterbe.

Wir haben eine Tour mit einer Guide gemacht, sie ist Tochter einer Rapa Nui und und wie ihr Mann zertifzierter Guide auf der Osterinsel. Bei der Tour war ihre Tochter dabei, da diese auch Guide wird - irgendwie ein Familien-Business. Und ich habe da kein klares Bild: Einerseits ist es irgendwie tragisch, dass Einheimische kaum eine andere Geschäftsmöglichkeit haben, als für/mit Touristen zu arbeiten. Andererseits ist das eine absolut abgelegene Insel und wenn es die Moai nicht gäbe und diese einzigartige Geschichte, dann könnte man hier wohl kaum leben. Außer halt als Selbstversorger - auf der Insel herrschen ganzjährig recht angenehme Temperaturen um die 20 Grad und durch den vulkanischen Untergrund ist es recht fruchtbar.

Bei der Tour sind haben besonders drei Orte bleibende Eindrücke hinterlassen.

Rano Raraku ist der Ort, an dem die Moai gefertigt wurden. Sie wurden aus dem Berg geschlagen und dann zu den Plattformen am Rand der Insel transportiert - wie gesagt, das WIE ist ungeklärt.

Tongariki, weil dieses Bild von 15 Moais wohl weltbekannt ist. Sie wurden allerdings in den 1990ern restauriert, da sie 1960 bei einem Tsunami weitgehend zerstört wurden. Restauriert übrigens durch japanische Geldgeber - etwas für mich vollkommen Unverständliches, wir reden hier von einem UNESCO-Erbe, für das von den Touristen nicht wenig Geld genommen wird und auf den Nationalpark-Tickets wird noch angeführt, dass 20% für den Erhalt eingesetzt werden. Wenn ich davon ausgehe, dass praktisch JEDER Tourist hier auch den Nationalpark besucht, dann erscheint mir dies alles nicht ganz nachvollziehbar. Vielleicht gibt es das geschichtlich schwierige Verhältnis von Chile mit Rapa Nui tatsächlich noch immer - unsere Guide meinte, dass zwar alles auf der Insel zu Chile gehört, aber die Erde gehört den Rapa Nui. Und faktisch kann man als nicht Indigener hier auch kein Land besitzen.

Anakena, der einzige Sandstrand auf Rapa Nui - die Palmen wurden in den 70er Jahren aus Tahiti importiert. Ein wunderbarer Platz, fühlt sich wie Südsee an, dazwischen dann die Moai - unglaublich.

Rapa Nui ist eine Vulkaninsel und es gibt mehrere erloschene Vulkane. Am letzten Tag habe ich einen “bestiegen”, den Rano Kao - Steffi nahm sich einen Tag Auszeit mit der Katze unseres Quartiers. Der “Aufstieg” ist nicht schwer, aber kommt zumindest einer kleinen Wanderung nahe. Die höchste Erhebung auf der Osterinsel ist 500m , der Rano Kao hat 324m - es hält sich also alles im Rahmen. Von der “Hauptstadt” Hanga Roa, die die einzige Siedlung auf Rapa Nui ist, kann man zu Fuß in rund 90 Minuten auf diesen Vulkan wandern.

Was wir nervig (währenddessen) und extrem amüsant (hinterher) fanden: Auch wenn es eine ruhig Insel ist, dennoch ist ständig “Lärm”. Es gibt unzählige Straßenhunde, die untertags kaum ein Problem machen, wir wurden nie auch nur angeknurrt, die sind komplett friedlich und schnorren in den Lokalen einfach nur um Essen. Aber in der Nacht machen sie Radau ohne Ende. Etwa bis zum Morgengrauen, dann werden sie von den Hähnen abgelöst. Ich war noch nirgends, wo es so viele Hühner auf den Straßen gab. Bei jedem Haus werden Hühner gehalten, wobei sie nicht eingesperrt sind, sondern frei herumlaufen können. Und jede Familie hat auch mindestens einen Hahn, da bei den Rapa Nui der Hahn eine besondere Stellung hat (der Verzehr eines Hahnes soll Glück bringen und besondere Kraft geben). Also sobald die Hunde etwas ruhiger werden, setzen die Hähne an den Tag zu begrüßen. Das war wirklich massiv, einfach unglaublich, da ist jeder einzelne Hahn bei uns am Land ein Lercherlscha* wie man so schön sagt. Das sind richtige Orchester.

Abschließend noch ein paar gemischte Eindrücke von der Insel. Wir waren von den Moai beeindruckt wie erwartet, aber auch das Rundherum hat es uns angetan. Ohne groß nachzudenken, ich habe mir die Insel wie eine Insel vor Schottland vorgestellt - kalt, rau, zerklüftet. Tja, wir sind hier in Polynesien, es hat daher wohl eher den Touch wie man es sich von Hawaii vorstellt - am Flughafen bekommt man auch die typischen Blumenketten umgehängt.

Ich habe gedacht, dass wir hier komplett abgeschnitten sind von der Welt, aber da war es etwas anders. Fast auf der ganzen Insel hatten wir guten Telefonempfang, unsere Roaming-SIM fast überall LTE Internet. Und im Quartier hatten wir Starlink, das Satelliteninternet, mit einer besseren Verbindung als an manchen Orten in Österreich. Auch der Einkauf war nicht so teuer wie erwartet, natürlich sind die Preise höher als am Festland, aber selbst Importiertes war jetzt nicht so schlimm, dass man verzweifeln müsste.

Die Menschen sind vielleicht nicht so offen wie man es sich von Südamerikanern vorstellen würde, aber auch da prägen die Erlebnisse das Bild:

Der Kellner am ersten Abend, ein Rapa Nui, der nach der obligatorischen Frage, woher wir kommen, in perfektem Deutsch erzählte, dass er bei einem Schüleraustausch ein Jahr in Wien verbracht hat.

Die Putzfrau in einem Hostel, die sah, wie wir uns unter einer Palme vor dem Regen schützten (es regnet hier von einer Minute zur nächsten - was heißt regnen, es schüttet wie aus Kübeln) und uns in die Anlage bat, damit wir ein ordentliches Dach über uns haben.

Der Verkäufer in einem kleinen Markt, der sich weigerte, für eine Tomate etwas zu verrechnen. Wir wollten nur eine für das Frühstück und er meinte nur “Es ist ja nur eine Tomate!”.

Wir werden hier wohl nie wieder herkommen, aber es ist schon ein beeindruckender Ort - am Ende der Welt.

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