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Radeln in der Wüste & der höchste Berg unseres Lebens - Atacama-Wüste - Teil 2


Uns hat es ja von Anfang an in San Pedro de Atacama so gut gefallen, dass wir gleich wussten, dass wir länger bleiben wollen als ursprünglich geplant. Das Quartier ließ sich recht einfach verlängern (es war zum Glück zwei Tage länger frei), den Flug konnten wir verschieben (wir hatten einen flexiblen Tarif gebucht), aber das Mietauto war jetzt schon a bissal blöd. Der erste Gedanke war, dass wir es zurückbringen und dann einfach mit dem Bus wieder hier her zurückfahren - zeitaufwändig und schon irgendwie deppat. Also versucht das Auto einfach zu verlängern - Bingo, rund € 50,- für zwei Tage mehr, dafür gewinnen wir Zeit, können am letzten Tag das Gepäck im Auto lagern und sind flexibler.

Der Clou dabei: Sowas macht man in Südamerika über Whatsapp. Whatsapp ist DAS Kommunikationsmittel, jede Firma hat Whatsapp und Reservierungen, Anfragen, ja praktisch alles klappt über Whatsapp. Ich hab da vorher nie darüber nachgedacht, aber eigentlich ist das recht klug. Geht komplett unkompliziert, man kann jederzeit und praktisch überall kommunizieren. Wir haben schon Touren gebucht, Tischreservierungen gemacht, Anfragen geschickt - eigentlich für kurze, schnelle Fragen deutlich praktischer als E-Mail. Wobei das schon ein Punkt ist, warum ich Südamerika bisher liebe (man weiß ja nicht, was uns noch passieren könnte - die “schwierigeren” Länder kommen erst): Sie versuchen es unkompliziert zu machen. Wenn ich in Österreich etwas abhole, dann brauche ich eine Bestellnummer, einen Ausweis und was weiß ich noch alles. Wie oft habe ich schon bei irgendwelchen Hotlines angerufen, wo man geradezu so tat, wie wenn man mich über den Namen im System nicht finde könne, sondern man braucht Auftragsnummer, Kundennummer, Bestellnummer. Natürlich ist das alles nicht 1:1 vergleichbar, aber wir haben Fahrräder gemietet. A bissal Preis verhandelt, dann waren wir uns einig und wir haben vorab bezahlt. Und dann verabschiedet er sich und ich nur so “Confirmación?”. Der schaut mich an, wie wenn das die absurdeste Frage wäre und meint nur, dass er es ja eh eingegeben hat in seinen Computer. Möglicherweise würde mich das wahnsinnig machen, wenn ich hier leben würde. Aber für mich ist das halt schon so ein Denkanstoß, ob wir nicht manches komplett übertreiben in Europa. Ich hab es ja schon erlebt, dass ich in einem Lokal eine Speise (abgeändert von der Speisekarte) nicht bekommen habe, “weil das kann ich nicht bonieren”. Oder dass ich etwas, das eigentlich komplett einfach wäre, nicht bekomme, “weil das System lässt es nicht zu.”

Zurück zum Fahrrad. Die Abholung hat geklappt - auch ohne Bestätigung.

Manchmal haben wir ja schon so Ideen, wo ich mich hinterher frage: WARUM? Das mit dem Fahrrad ist so eine Geschichte, aber irgendwie sind das doch die Erlebnisse, an die man sich ewig erinnert.

Hier sind extrem viele mit dem Fahrrad unterwegs. Aussteiger-Örtchen, eher alternativ angehaucht, aber halt sehr entspannt. So sind wir auf die Idee gekommen, vielleicht auch mit dem Rad was zu unternehmen. Außerdem wollten wir auch ein wenig Vorbereitung auf unsere Vulkan-Besteigung - Radfahren in der Wüste auf 2.500m ist schon ein gewisses Training. Also a bissal recherchiert und eine gute Tour gefunden: Ins Valle de la luna (“Mondtal”). Das ist eine Landschaft, die eben sehr an den Mond erinnert, vielleicht 45min mit dem Rad von San Pedro entfernt und man darf auch mit dem Rad durchfahren. Es gibt verschiedene Gesteinsformationen und die Duna Mayor - eine riesengroße Sanddüne in dieser Salzwüste, die ausschließlich durch die Erosion der Steine rundherum entstanden ist - die Atacama ist eben keine Sandwüste.

 

Man kann das eigentlich nur am Vormittag mit dem Fahrrad machen, weil es ab Mittag sehr heiß wird und Schatten eher dünn gesät ist. Was soll ich sagen? Bei “Tal” haben ich mir eine Ebene vorgestellt, dort ging es aber ständig auf und ab. Es war heiß, sehr anstrengend und wenigstens weiß ich jetzt, dass ich mit einer Sonnencreme mit Schutzfaktor 30 zumindest vier Stunden ohne Sonnenbrand in der Atacama überlebe. Und man muss sich vor Augen halten: Wir hatten ein Mietauto, das daheim stand. Aber wir wollten ja radeln. Hinterher war es den Schmerz wert, aber währenddessen habe ich diese Entscheidung schon einige Male hinterfragt.

Die Atacama-Wüste ist eine Salzwüste und die Gesteinsformationen unterscheiden sich auf chilenischer Seite nicht allzu sehr von denen auf der argentinischen Seite - wenig überraschend, sind zwar zwei Länder, aber dieselbe Region/Geographie/etc. Daher haben wir übrigens entschieden, die Uyuni-Wüste in Bolivien auszulassen - das wäre der dritte Teil dieser Wüste, halt dann auf bolivianischer Seite.

Man sieht spektakuläre Formationen, natürlich alle mit einem “sprechenden” Namen versehen. Auch wenn sich Argentinier und Chilenen (so hörten wir) nicht besonders mögen, da unterscheiden sie sich so gar nicht. Man fährt zur Duna Mayor (ok, das macht ja noch Sinn), kommt dann beim Anfiteatro (“Amphitheater”) vorbei und landet bei den Tres Marías (“Drei Marias”) - was nix anderes sind als drei Steingebilde, wo man mit Fantasie halt drei Marien-Figuren erkennen kann.

Die “Duna Mayor” - beeindruckend besonders deshalb, weil es sich hier eben um keine Salzwüste handelt, sondern diese Düne aus Erosion der Steine rundherum entstanden ist

Der letzte Abschnitt zu den Marias war dem Motto “Jetzt bin ich schon so weit geradelt, diese drei Figuren will ich jetzt auch noch sehen!” gewidmet - bitte meine Enttäuschung bei den “Drei Marias” aus diesem Blickwinkel zu sehen. Die gesamte Gegend ist aber wirklich beeindruckend und es war jeden Schweißtropfen wert - da sehe ich den Chilenen diese Show-Namensgebung absolut nach.

Eine gewisse Willensstärke braucht es schon um hier dahin zu radeln

Ich hab ja angedeutet, dass wir ein wenig “trainieren” wollten für eine Vulkanbesteigung. Und da muss ich jetzt ein bisserl ausholen. Uns fasziniert die Höhen der Anden, dass man auf 4.000m fahren kann und dann spürt, wie sich die Luft ändert. Die Alpen sind da anders, ich empfinde sie als viel “wilder”, aber sie sind halt nicht so hoch und ich hätte mir in Europa noch nie gedacht “Boah, das ist hoch, das spüre ich richtig!”. Der Großglockner ist 3.798m hoch, das Matterhorn 4.478m, der höchste Berg Europas ist der Elbrus mit 5.642m. Selbst der höchste Anden-Pass liegt auf über 4.800m - da fasziniert halt das Unbekannte.

Und ich hätte auch nie den Traum gehabt, auf einen 8.000er zu steigen. Das sind für mich Verrückte, denen ihr Leben nichts wert ist - sowas käme für mich nie in Frage, wenn dort was passiert, ist es vorbei.

Dann simma da in San Pedro und schauen, was wir so unternehmen könnten. Und da sticht die “Besteigung” des Cerro Toco ins Auge - ein inaktiver Vulkan mit einer Höhe von 5.604m. Gleichzeitig aber so “harmlos”, dass man das auch als ungeübter Bergsteiger machen kann. Denn bis auf 5.200m kann man fahren, die “Besteigung” dauert etwa 2h für einen 2km Weg - technisch ist jeder bissal steilere Wanderweg in Österreich fordernder, aber die Luft ist auf über 5.000m dünn - sehr dünn. Womit man hier gerne wirbt: El Toco ist 5.604m hoch, das Base Camp beim Mount Everest liegt auf 5.364m. Und natürlich ist das so nicht vergleichbar, soll nur einen Eindruck geben, dass das schon recht hoch ist. Die Anforderungen sind recht nieder, man soll halt a bissal Bergerfahrung haben, durchschnittlich sportlich sein und eine gewisse Ausrüstung braucht man schon. Und man soll sich ein wenig akklimatisiert haben - nachdem wir vorher schon vier Tage in San Pedro waren, war das also machbar.

Drum in ein Tourbüro, von dem wir auf Tripadvisor Gutes gelesen habe, das ist problemlos finanzierbar (a bissal über € 100,- zu zweit) und zu unserem Wunschtermin können wir das machen. Sicherheit schaut auch ganz ok aus, ein erfahrener Guide führt uns, hat Sauerstoff und ein Satellitentelefon dabei - falls halt doch etwas passiert. Und ich entschuldige mich hier wirklich bei allen, die “echte” Bergsteiger sind - wir wollten die Erfahrung machen und können euch jetzt besser verstehen, aber natürlich ist das eine Touristentour. Zwar schon eine sehr Coole, aber Schmalspur, klar.

Wir waren aufgeregt ohne Ende. Die Tour zu den Geysiren ging auf 4.300m und da war alles ok - aber 5.600m ist doch noch deutlich höher. Am Tag vor der Tour striktes Alkoholverbot, nur leichtes Essen, früh schlafen gehen. Geschlafen habe ich trotzdem wenig, es war eine Mischung aus Aufregung, Unsicherheit und Freude. Da ist Steffi genial - die kann immer und überall schlafen.

Abholung in der Früh vom Quartier, Material ausfassen (wir haben dicke Socken, dicke Jacken, warme Leiberl dabei, auch Hauben und Handschuhe - Wanderungen waren ja immer geplant, wenn auch nicht in dieser Form) und dann ab zum “Base Camp” auf 5.200m. Bei der Anfahrt fährt man an den Teleskop-Stationen vorbei und sieht auch ALMA, dem größten astronomischen Projekt weltweit mit dem höchstgelegenen Teleskop der Welt auf über 5.000m. Beindruckend, aber ab einem gewissen Moment (ich würde schätzen so auf 4.000m) spürt man, dass das alles nicht ganz so easy wird.

Und dann geht’s los, wahrlich im Schneckentempo. Der Guide gibt das Tempo vor und ich würde am Berg in Österreich im Modus “ganz langsam” wohl noch immer drei- oder viermal so schnell gehen. Atmen und ein Schritt nach dem anderen. Da habe ich ein Verständnis von dem bekommen, was sich auf 8.000ern abspielen muss, wo offenbar jeder einzelne Schritt eine Meisterleistung ist. Und ich gebe zu: Das war eines der geilsten Erlebnisse meines Lebens. Diese volle Konzentration: Einatmen - Schritt - ausatmen - Schritt - einatmen - Schritt - ausatmen. Ich muss aber auch sagen, dass das v.a. am Anfang so extrem war, etwa ab der Hälfte bist du in dem Modus, wo alles funktioniert. Ich denke es gibt das Äquivalent zum Tiefenrausch, wo du beim Tauchen immer tiefer willst, dich komplett verlierst, auch in der Höhe - zumindest hat es sich für mich so angefühlt. Es war kalt, aber nicht so anstrengend von der Steigung und dem Weg. Aber den Atem zu behalten, die Konzentration - das war sehr anstrengend.

Anfangs musste ich mich sehr konzentrieren, ab etwa 5.400m habe ich mich so gut gefühlt (wohl wenig Sauerstoff und ein Körper voll Adrenalin), dass ich hinauf laufen hätte wollen. Zum Glück hat der Guide weiterhin das Tempo vorgegeben und der höchste Punkt mit 5.604m war leicht erreichbar. Ein unbeschreibliches Gefühl - ich will sicher nicht auf den Mt. Everest oder K2, aber ich kann jetzt ein wenig besser nachvollziehen, wie unglaublich das Gefühl am Gipfel sein muss. Dieses Gefühl, etwas erreicht zu haben, den Körper hinaufgetrieben zu haben - sensationell.

Der Abstieg war dann ein leichtes. Wie gesagt, technisch ist der Toco nicht fordernd, aber zumindest mein Körper war voll mit Adrenalin, Endorphin oder was auch immer. Ein einmaliges Erlebnis, wir sind sehr dankbar, dass wir das so erleben durften.



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