Wir freuen uns sehr, wenn der eine oder andere mit uns mitfiebert und die Reise verfolgt. Und da kommen dann immer Fragen zu den Finanzen in Argentinien, wie das im Straßenverkehr ist und dann auch noch ein paar Dinge, die mir da halt vor Ort auffallen.
Zuerst mal das Finanzielle. Man kann mit Kreditkarte (bzw. Debit Karte) fast überall zahlen. Nur in seltenen Fällen ging es rein in efectivo (bar), meistens bei ganz einfachen Lokalen oder in wirklich abgelegenen Orten (z.B. in Quilmes – aber dort werden die Tickets mitten auf einer Schotterpiste verkauft). Wir bezahlen meistens mit Debitkarte (Revolut). In Österreich ist das nicht wirklich wichtig und eher unbekannt: Eine Debit Karte ist praktisch eine Kreditkarte, die man vorab aufladen muss. Das Aufladen machen wir mit unserer Kreditkarte kostenfrei – wer da welche Gebühren schluckt, ist mir unklar. Und auch im selben Ausmaß egal – es klappt jedenfalls.
Bargeld wechseln wir entweder in Wechselstuben, aber nachdem wir natürlich nicht unbegrenzt Euro und USD dabei haben, verwenden wir auch WesternUnion. Ich weiß welches Image WesternUnion bei uns hat, aber in Argentinien ist das wirklich der beste Weg: Man schickt sich selber (oder seinem Partner) Geld, bezahlt das mit der Kreditkarte und kann es vor Ort in zahlreichen Lokalen abholen und bekommt Bargeld. Die Gebühren sind zwar recht hoch (~7%), aber der Wechselkurs ist so gut, dass sich trotzdem lohnt. Für einen Euro haben wir beim Barwechsel rund 1.170 ARS bekommen, bei WesternUnion liegt man selbst nach Berücksichtigung der Gebühren bei rund 1.080, bei der Debitkarte bei rund 1.060 und bei der Kreditkarte bei etwa 1.040. Wir haben vor kurzem auch versucht an einem Bankomaten abzuheben und das war ein wirklich skurriles Erlebnis. Erster Bankomat: Leer. Schlicht kein Geld mehr drinnen. Also zum zweiten Bankomaten und versucht € 50,- abzuheben. Der Betrag ist zu hoch. Also € 30,- versucht. Ok, das geht. Und dann kommt die Info, dass die Bank Gebühren verrechnet: Rund € 10,- für eine Abhebung von € 30,-. Na gut, dann eher nicht.
Auch wenn ich vor Ort bin, ich verstehe nicht ganz, wie das alles funktioniert. Die Inflation ist massiv, die Argentinier wollen ihre Pesos in andere Währungen tauschen, dürfen aber nur USD 200,- pro Monat legal tauschen – daher der illegale Markt. In Buenos Aires kann man an jeder Ecke umtauschen, aber z.B. in Salta haben wir keine Wechselstube gefunden. Als wir zuletzt bei einer kleinen Bude (das war eher ein Greißler, der halt auch WesternUnion anbot) ganze € 100,- abheben wollten, hat er zuerst gefragt, um wieviel Geld es geht. Es gibt schlicht nicht genügend Bargeld bei dieser Inflation. Heute haben wir erst wieder einen 20 Peso-Schein bekommen – das sind 0,2 Cent. Also nicht ein Euro, nicht einmal ein (Euro-)Cent, sondern ein Fünftel davon. Stellt euch das mal vor, ein Schein für etwas, das ein Bruchteil von einem Cent bei uns entspricht – und das bei Preisen, die den unseren nicht unähnlich sind. Die Inflation war so massiv in der Vergangenheit, dass die Scheine damit einfach nicht mithalten konnten - deswegen hat man bei einem Gegenwert von € 50,- ein fettes Packerl Geldscheine eingesteckt.
Das ist hier wirklich verrückt und wenn man das sieht, dann kann man wirklich nur den Kopf schütteln über manche Aufregung in Europa. Die EZB mag nicht alles richtig machen, nicht alles am Euro ist gut, aber das hier ist im Vergleich dazu völliger Wahnsinn. Ich fand 10% Inflation in Österreich schon spürbar, hier ist die Bevölkerung dankbar, wenn es in einem Jahr nur 100% Inflation gibt. Wir hatten heute wieder so eine Situation in einem Café in Mendoza, wo ein Freund des Betreibers uns bedienen wollte, weil er ein wenig Englisch spricht und das zeigen wollte. Er hat den Präsidenten Milei als völlig verrückt bezeichnet, aber ihm zugute gehalten, “dass er etwas von Wirtschaft versteht”, weil die Inflation unter 200% gesunken ist. Ich denke wir Europäer (und da schließe ich mich natürlich mit ein) urteilen oft sehr arrogant über andere Regionen der Welt. Klar, Milei ist nach unserem Verständnis wirklich ein absolut Verrückter, aber wie würde ich denken, wenn ich in einem Land lebte, wo sich die Preise in einem Jahr verdreifachen, während mein Gehalt sich aber kaum ändert?
Wir waren nun sowohl in Buenos Aires, als auch in den nördlichen (armen) Regionen unterwegs und sind nun in Mendoza, das sowohl aufgrund des Tourismus als auch aufgrund der geographischen Lage (direkter Weg nach Chile) eher privilegiert ist. Und es ist schwer einen Durchschnitt zu wählen, aber wenn man „Durchschnittseinkommen Argentinien“ googelt, dann kommt man auf rund USD 500,-. Wir sind natürlich Touristen und ich würde mir nicht anmaßen, das alles hier wirklich einschätzen zu können. Aber ich kann auch meiner extranjero-Sicht berichten: Wohnen ist vergleichsweise billig (wir bezahlen selbst für schöne Wohnungen über AirBnB kaum mehr als € 50,- pro Nacht), Gastronomie ist eigentlich extrem teuer (vielleicht etwas billiger als Wien, aber die Hauptspeisen liegen auch gleich einmal bei € 12-15,-), im Supermarkt kommt es extrem drauf an, was man kauft: Lokales ist billiger als bei uns, „Internationales“ ist teils unglaublich teuer. Wir haben heute selber gekocht und 500gr frische Tortellini haben € 1,30 gekostet, das Kilo gutes Rindfleisch kostet um die € 10,- – also sehr, sehr billig nach unserem Maßstab. Dazu Sugo im Packerl um € 0,90, ein Kilo Zucchini um € 3,-. Also alles doch sehr billig. Aber im Kontrast dazu z.B. Schokolade als Extrembeispiel: Eine Tafel um € 6,-. Oder auch Joghurt ist sehr teuer, ein winziges um € 0,70, das normale um rund € 2,-. Vieles kostet ähnlich wie in Österreich, generell würde ich einen Supermarkt-Einkauf hier als teurer einschätzen als bei uns. Da schmunzle ich nur mehr, wenn ich von großem Entsetzen lese, dass die Butter in AT um € 0,50 teurer wird. Nicht dass ich mich an Argentinien messen möchte, aber manchmal tut der Blick über den Tellerrand schon gut und man erkennt, wie gut wir es haben. Ich weiß nicht warum, aber schockierend sind die Preise für importierte Schokolade - siehe das Bild weiter unten, einfach durch 1000 und man hat den Euro-Preis und da vergeht einem jede Lust auf Schokolade.
Das zweite Phänomen sind Ratenzahlungen. Wir wurden anfangs immer wieder nach “Cuotas” gefragt und haben nicht verstanden worum es geht. Mit der Zeit haben wir herausgefunden, dass es da um Ratenzahlungen geht. Das ist v.a. dort schockierend für mich, wo es um Dinge des Alltags geht - selbst in Supermärkten wird Ratenzahlung angeboten. Ich habe ein Schaufenster eines Schuhgeschäfts in Salta fotografiert, wo überall die Ratenpreise dabeistehen. Ich weiß nicht wie es euch geht, aber mich schockiert es wirklich, wenn für Schuhe um € 15,- eine Ratenzahlung mit 40% Jahreszins angeboten werden (die Cuotas sind pro Monat). Andererseits ist das bei dieser Inflation auch wieder verständlich - nur wächst das Einkommen pro Jahr um 40%? Wohl eher nicht…



Dann zu einem amüsanteren Thema: Dem Straßenverkehr. Wir haben nun zum zweiten Mal einen Mietwagen in Argentinien und ich kann sagen: Ich verstehe einfach nicht, was hier abläuft. Ich habe natürlich vorab gelesen, welche Regeln gelten und einfach gesagt: Alles wie bei uns daheim. Die Realität ist eine andere und auch wenn man das aus den südlichen Ländern in Europa kennt, hier ist das nochmal extremer.
Auf der Strecke von Purmamarca nach Salta ist eine Autobahn gesperrt. Meine Theorie: Diese Autobahn hat es gar nie gegeben, aber egal. Auf der Ausweichsstrecke, die einer Bundesstraße bei uns entspricht, ist durchgehend Tempo 40 vorgeschrieben. Lachhaft, völlig lachhaft, und das leben die Argentinier auch so und mich als regelverliebten Menschen macht dies regelrecht wahnsinnig. Dies ist tatsächlich so passiert: 40 ist vorgeschrieben. Von der Hinfahrt weiß ich, dass da 80 als normal gelebt wird. Vor mir fährt jemand konstant 60, ich überhole. Fahre dann konstant 80. Werde selbst von Kleinbussen mit mindestens 110 überholt. Kurz und gut: Ich weiß nicht, was da richtig ist.
Wenn man Überland unterwegs ist, kommt man immer wieder zu Polizei-Kontrollpunkten. Wir hatten das bisher sicher schon 9 oder 10 Mal, aber in den meisten Fällen spielen die Polizisten mit ihren Handys. Man kann sich das so vorstellen: Freilandstraße und plötzlich ist alles abgesperrt, Schritttempo durch den Kontrollpunkt – wie halt früher an den Grenzen. Man wird kontrolliert oder auch nicht. Einige Male wurden wir dann tatsächlich kontrolliert, die Polizisten waren immer ausnehmend freundlich. Generell habe ich den Eindruck, dass ich als Ausländer besser behandelt werde. Zweimal hatte ich schon eine Alkoholkontrolle – für mich schon etwas skurril, da man das Mundstück eben nicht in den Mund nimmt, sondern nur fest in die Richtung des Testgeräts bläst. Ob das wirklich funktioniert, kann ich nicht sagen, da ich mich hier natürlich streng an die Regeln halte und vielleicht zum Mittagessen mal ein kleines Bier trinke, aber nicht mehr. Die Grenze hier liegt bei 0.5 Promille. Aber das nehmen sie schon ernst, ich wurde in fast 30 Jahren als Autofahrer bisher zweimal auf Alkohol getestet, hier in Argentinien bei 10 Tagen Mietwagen gleich oft. Dafür ist alles andere geradezu verrückt liberal.
Auch im innerstädtischen Verkehr kenne ich mich nach wie vor nicht aus. An ungeregelten Kreuzungen gilt irgendwas zwischen Rechtsregel und dem amerikanischen „stop all ways“ – ich habe keine Ahnung, im Zweifel gebe ich einfach nach.
Außerdem ist irritierend, dass Geschwindigkeitsbeschränkungen einfach nicht aufhören. Meistens sind es Straßenschäden, dann steht da eine Tafel, die auf 40 km/h beschränkt, aber es gibt hier kein Ende. Was natürlich lustig wird, wenn man nicht weiß, warum es die Beschränkung gibt – woher soll ich dann wissen, wann das Problem vorbei ist?
Ähnlich verhält es sich mit der Verwendung des Blinkers. Einfach rechts oder links zu blinken, das ist hier nicht üblich. Beim Abbiegen manchmal, bei Spurwechsel praktisch nie. Was der Argentinier aber liebt: Warnblinker. Plötzlich sieht man vor sich den Warnblicker, das kann alles bedeuten. Stau vor mir, ich biege gleich rechts ab, ich biege gleich links ab – es ist einfach nicht klar. Ich habe den Eindruck, dass der Argentinier im Zweifel einfach mal die Warnblickanlage aktiviert – sicher ist sicher.
Generell kommt mir Argentinien vor wie Österreich vor dreißig Jahren. Greißler, eigentlich überall, mit Produkten, auf denen kleine Preisaufkleber angebracht sind.
Tankstellen mit Tankwarten. Wirklich überall bist jetzt, da steht jemand und betankt das Auto, wischt die Scheiben, man zahlt an der Säule draußen direkt beim Tankwart.
Aber generell sind Arbeitskräfte offenbar sehr billig, bei der Abholung unseres Mietautos gab es zuletzt eine Person, die rein dafür da war, den Schranken zu öffnen und zu schließen.
Zum Abschluss noch zwei Themen, die mich hier immer wieder nachdenklich machen. Das eine ist der Umweltschutz, das andere offener Umgang mit Fremden.
Das erste Thema ist der Umweltschutz und gleich vorweg, auch wenn hier völlig andere Maßstäbe angelegt werden, ich befürworte die Initiativen in Europa. Mir tut es nicht weh, wenn meine Wattestäbchen einen Papierschaft haben und nicht aus Plastik sind. Aber ich hinterfrage natürlich schon, ob wir damit die Welt retten werden, wenn man mitbekommt, was hier vor Ort gelebt wird. Zuerst mal der Straßenverkehr: Ich habe keine Ahnung ob es hier überhaupt Elektrofahrzeuge gibt, mir wäre nirgends irgendeine Lade-Infrastruktur aufgefallen. Davon abgesehen fahren hier Autos, wo jeder Prüfer beim Pickerl bei uns wohl sofort zusammenbrechen würde. Ich sah mindestens dreißig Jahre alte Autos, mit nur einem Scheinwerfer, mit zugebundenen Motorhauben - kurz und gut, was fährt ist hier noch ok.
Und, weil ich schon davon angefangen habe, die Wattestäbchen haben einen Plastikschaft, die Trinkhalme sind aus Plastik und die Verschlüsse von Plastikflaschen hängen nicht an der Flasche. Mülltrennung existiert bestenfalls nebenbei und beim Einkauf bekommt man gratis Plastiksackerl. Soll nicht heißen, dass die Initiativen bei uns unsinnig sind, sondern ich will es nur einordnen im Vergleich zu anderen Ländern.
Das zweite Thema ist wohl noch schwieriger, aber ich finde es extrem erfrischend, dass wir nahezu bei jedem Restaurantbesuch ganz gerade heraus gefragt werden, woher wir kommen. Wir sprechen spanisch, aber natürlich hört man, dass das nicht die Muttersprache ist. Und wir schauen anders aus, selbst in Argentinien gibt es viele Indigene, wir haben schon recht helle Haut im Vergleich zu vielen anderen hier. Und ich liebe diese Offenheit: Der schaut nicht aus wie ein Einheimischer, der spricht nicht wie ein Einheimischer, also ist er nicht von da. Viele fragen und haben dann keine Ahnung wo Österreich ist. Macht ja nix. Oder so wie heute der nette Typ im Lokal, der erzählt, dass er als Kind mal in Österreich war, weil er im Chor gesungen hat und die einen Besuch bei den Wiener Sängerknaben hatten.
Oder der Verkäufer im Supermarkt in Cachi, also wirklich fern ab von jedem städtischen Leben, der selbst beim Bedienen im Supermarkt gefragt hat, woher wir kommen.
-Somos Austriacos.
-Oh, Australia.
-No, Europa, Austria.
Er überlegt kurz und antwortet “Sissi?” Wir haben nur gelacht, aber auf Netflix gibt es eine Serie über Sissi, die hat er gesehen und daher weiß er, wo Österreich ist. Wir haben dann noch drüber geplaudert ob Österreich eine Demokratie ist oder ob wir noch einen König haben (“Como Espana!”) - das war einfach herrlich. Ich empfinde die Argentinier da als recht unbedarft und ich mag das, weil es nie mit einer Boshaftigkeit verbunden ist. Wir haben in einem Monat eigentlich nur gute Erlebnisse gehabt: Der Polizist, der sich entschuldigt, weil er uns für Franzosen gehalten hat und dabei lacht (ok, die Entschuldigung ist fair - Franzose, so eine Frechheit), unzählige Kellner, die über Österreich plaudern wollen (oder auch nicht, weil sie halt nix wissen über Österreich), der lustige Sissi-Verkäufer oder auch nur Menschen, die mit uns plaudern wollen, weil wir offensichtlich halt nicht aus Argentinien bzw. Südamerika kommen. Und ich bin da ja gleich mal skeptisch, aber eigentlich alle waren einfach dran interessiert, was uns nach Argentinien bringt. Herrlich diese unverklemmte Offenheit.
Morgen geht’s weiter nach Chile und ich bin gespannt wie es dort ist. Die Argentinier habe ich aber schon jetzt (wir kommen ja nochmal für ein, zwei Stopps zurück) tief in mein Herz geschlossen, weil wir ausschließlich positive Erlebnisse mit diesen netten Menschen hatten.