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Chile - los geht’s


Nach etwas mehr als einem Monat haben wir Argentinien verlassen - schweren Herzens, denn wir haben uns in dieses Land irgendwie verliebt. So vielseitig, so offen, aber gleichzeitig so verschi**en, was die Lebensqualität angeht. Aber vielleicht passt das zur österreichischen Seele, dieses Morbide, dieses eben-nicht-so-perfekte, dieses irgendwie-kommen-wir-durch. Ich hab mich wirklich wohl gefühlt in Argentinien, ob es das etwas ruppigere Buenos Aires oder der verschlafene Norden war. Dieser Polizist, der zuerst streng schaute und sich dann entschuldigte, dass er mich für einen Franzosen gehalten hat. Der Greissler-Typ in Cachi, dem zu Österreich nur “Sissi” einfiel - ich weiß nicht, ob er Argentinien schon mal verlassen hat, aber er war einfach ehrlich interessiert und offen. Die Frau, die mit uns bei einem Halt auf offener Strecke irgendwo im Hinterland einfach nur plaudern wollte: “Woher kommt ihr? Was arbeitet ihr? Warum seid ihr da?” Aber nicht irgendwie abschätzig, es hat sie einfach interessiert - ich kann gar nicht ausdrücken wie sehr ich das liebe, einfach Interesse an der anderen Person ohne eine Wertung.

Und vielleicht idealisiere ich das, aber abgesehen von den kleinen Betrügereien in Buenos Aires hatten wir keinerlei Probleme. Es mag Glück gewesen sein oder vielleicht auch weil wir uns halt einfach normal benehmen. Ich weiß es nicht, aber unterm Strich: Nix ist passiert.

Dennoch war es an der Zeit weiter zu reisen. Wir haben ja nicht vor, die ganze Welt zu bereisen, aber ein Monat für ein Land ist schon sehr viel bei einem “Zeitkonto” von maximal 11 Monaten. Sei’s drum, wir haben es genossen und damit war es jeden Tag wert. Und man muss es schon einordnen: Argentinien misst 2.800.000km² - da würde Österreich über 30 (!) Mal hineinpassen. Gleichzeitig haben sie nur 46.000.000 Einwohner - also gerade fünf Mal Österreich.

Wir haben Mendoza mit dem Bus verlassen in Richtung Santiago de Chile. 8h Reisezeit, wobei die Fahrzeit vielleicht 5h wären - aber da gibt es ja noch die Einreise nach Chile. Wir sind ja verwöhnt mit der EU und auch wenn ich mich an die Zeit davor erinnere, inzwischen ist es völlig normal durch Europa zu reisen ohne großartige Kontrollen.

Hier läuft es so: Man kommt mit dem Bus am Terminal am “Paso International Los Libertadores” in den Anden an. Das gesamte Gepäck wird ausgeladen, dann erst darf man aussteigen. Man wird vorher instruiert, keine Lebensmittel, keine Pflanzen - hohe Strafen bei Vergehen. Und ich werde diese Situation nie vergessen: Der (zweite) Busfahrer gibt die Anweisungen und macht es klar: “Essen oder vor der Kontrolle wegwerfen!” Und dann ein offensichtlich europäischer Mitreisender, der mit einer Zwiebel in der Hand durch den Bus geht - herrlich.

 

Wir haben unsere Jause brav vor der Grenze gegessen und waren eigentlich ganz entspannt. Aber im Kontrollgebäude war so eine angespannte Stimmung - eine riesen Halle mitten in den Anden, aber keiner spricht, das Buspersonal instruiert alle, wie sie sich anstellen müssen. Schlussendlich war aber alles ok, v.a. wenn man zumindest ein bisschen spanisch spricht, dann klappt alles - zumindest hatten wir Null Probleme. Und das ist für mich Südamerika: Zuerst furchtbar ernst, aber wenn alles passt, kann selbst der Grenzbeamte nicht anders, als dir ein Lächeln zu schenken. Das ist doch irgendwie wie Österreich - zuerst ernst und dann ein “passt schon”. Und natürlich bin ich bei den Kontrollen unterwürfig bis zum geht nicht mehr und packe mein bestes Spanisch aus, versuche etwas zu scherzen. Keine Ahnung ob die den “Schmäh” kennen, aber das ist ja in unserer österreichischen DNA. A bissal Schmäh führen und wir kommen gut durch die Welt.

Das Gepäck wird aber gesondert gescannt - aber auch da alles ok und wir durften nach Chile einreisen.

Schlussendlich hat es rund 2h gedauert bis der Bus sich wieder in Bewegung gesetzt hat. Auf chilenischer Seite geht es über Serpentinen recht steil nach unten und nach 27 Kehren ist man wieder halbwegs im Flachland - und nach in Summe knapp siebeneinhalb Stunden haben wir die Hauptstadt, Santiago de Chile erreicht.

Santiago de Chile hat über 6m Einwohner und über 35% der Bevölkerung Chiles leben hier - selbst im “Wasserkopf Wien” leben nur um die 22% der österreichischen Bevölkerung. Aber was diese “Zahlen und Fakten” angeht, ist Chile sowieso ein Wahnsinn - die Nord-Süd-Ausdehnung von Chile ist über 4.200km und damit länger als die Distanz zwischen dem Nordkap und Lissabon (4.178km). Zu den Osterinseln, auf die wir in ein paar Tagen reisen werden, sind es nochmal 3.750km oder rund 5h Flugzeit - die Distanzen hier sind einfach unvorstellbar für den geübten Europäer.

Ich will über Santiago noch nicht urteilen, im Moment würde ich böse sagen “amerikanische Stadt mit extrem vielen Latinos”. Wir haben schon gehört, dass Chile eine Ausnahmestellung in Südamerika einnimmt und Chilenen als einzige Südamerikaner ohne Visum in die USA reisen können - ich hab das noch nicht überprüft, aber es wirkt glaubwürdig, da Santiago extrem amerikanisch wirkt und wenn man diese Stadt in den Süden der USA verpflanzen würde, ich denke es würde nicht auffallen. Kann man gut oder schlecht finden, wir spüren die Unterschiede ganz deutlich und waren heute mal in einem chilenischen Gerngross (für die Grazer: Kastner) einkaufen. Man bekommt in Chile offenbar alles und noch dazu billiger als in Österreich. Für uns faszinierend: Chile steht sicher eine Stufe über Argentinien was die Verfügbarkeit von Waren angeht und das generelle “Lebensniveau”, aber dennoch ist eigentlich alles billiger als in Argentinien. Zum amerikanischen Lifestyle passt auch, dass es hier zwar weniger Bettler als in Argentinien gibt, aber unfassbar viele Obdachlose. Man ist hier offenbar schon einen Schritt weiter als in Argentinien…

Das war für ein “Whoa-Effekt”, denn wir dachten, dass Argentinien billig ist aufgrund der Inflation, aber das Gegenteil war der Fall: Chile ist DEUTLICH billiger. Wir haben begonnen in unseren Unterkünften selber zu kochen, da es einfach nervt. ständig essen zu gehen. Ja, irgendwie ein Luxus der Reise, dass man immer auswärts isst, aber irgendwann magst einfach selber etwas kochen, “daheim sitzen” und irgendwie Alltag heben - über diese Herausfordungen der Reise werde ich demnächst im Blog etwas schreiben. Nach nun über einem Monat Reise gewinnt der Gedanke an ein heimisches Essen, das ich auf deutsch bestelle und das dann so schmeckt wie ich es erwarte, extrem an Bedeutung. Jammern auf hohem Niveau, aber das was wir machen ist sicher nicht “ein Jahr Urlaub” - ich will mich absolut nicht beschweren und es ist ein extremes Privileg, dass wir das so machen können, aber es ist schon auch fordernd. Auch wenn man viel über sich selber lernt und über das, was wichtig ist und was man mehr schätzen sollte. Wie gesagt, darauf werde ich in einem eigenen Blog-Eintrag noch näher eingehen. Hier nur mal so viel: Die ganzen Erfahrungen sind großartig. Aber es ist extrem anstrengend, wir fallen meistens komplett erschöpft in unser Bett. Nicht unsere Muttersprache, eine Umgebung, die man nicht kennt. Jeder Einkauf ein gewisser Stress, man kennt sich nicht aus, irgendwie läufst du in jedem Moment auf Hochtouren. Aber uns geht es nach wie vor gut und wir genießen es zu 100% - aber ein ganz langer Urlaub isses auch nicht…

Zurück zum Alltag: Wenn es das AirBnB zulässt, dann bringt uns das Kochen etwas Entspannung und “normales Leben”. Wir haben heute eingekauft und dann selber gekocht, das ist wirklich billig in Chile gemessen an den österreichischen Maßstäben. Zwei Packerl Spargel (chilenischer - also zumindest das können wir auf unser Öko-Karma-Konto buchen) um je € 1,50, zwei Flaschen Wein um je € 4,-, große Dosen Bier (0,75l) um je € 1,- und noch einiges an Kleinzeug (Wasser, Kaffee, Bananen und sowas) - in Summe haben wir € 20,- bezahlt. Und hier auch der Bildbeweis - und ja, ich finde es wirklich super im Dezember am Balkon sitzend lokalen Spargel essen zu können. Was natürlich nicht heißt, dass ich nicht einen überteuerten Glühwein am Christkindlmarkt nicht schon auch vermisse.

Gestern Abend waren wir chinesisch essen. Was aber auch damit zu tun hatte, dass es in Südamerika am Sonntag recht schwierig sein kann - danke katholische Kirche. Vieles hat zu, auch die Lokale, und die Innenstädte sind wie ausgestorben. Und das klingt für den Österreicher so trivial, aber in Argentinien gab es praktisch keine asiatischen Lokale. Man sieht wie die Geographie unser Leben beeinflusst, hier in Chile gibt es zahlreiche Chinesen. Ich saß mal fragend über der Speisekarte, aber es soll jeder für sich selbst beurteilen, wie lange es gedauert hat, bis er das erste Gericht auf der Karte einschätzen konnte. Ich noch so zu Steffi “Wer weiß was das ist!” - wenn man es mal gecheckt hat, dann ist es einfach, aber ich war da etwas langsam im Kopferl… Das auch als Beitrag, dass auf Reisen halt vieles stressig ist, was in deiner gewohnten Umgebung ganz einfach ist.

Daneben - und jetzt zum Trivialen - ist es beeindruckend, dass Palmers hier ganz groß ist und noch ein Bild für den Schokoladen-Index. Umrechnung ist ganz einfach, der Wechselkurs zwischen Argentinien und Chile ist nahezu 1:1 (der chilenische Peso ist etwas mehr wert, aber wirklich minimal, so im Ausmaß von 10%) - was die Chilenen an der Grenze aber nicht davon abhält, für einen argentinischen Peso gerade mal 0,6 chilenische Pesos auszuzahlen - dieser Moment, wo du deinem ohnehin schon gebeutelten Nachbarn sagst “Geht’s schei*en!”. Das Verhältnis zwischen Chile und Argentinien ist kein einfaches, aber das fanden wir schon etwas brutal…
Und noch eine lustige Beobachtung bzw. Erfahrung: In Argentinien fand ich es schon recht extrem, dass in Lokalen das “große Bier” ein ganzer Liter in einer Glasflasche ist (gezapftes Bier gab es nur sehr selten): Kleines Bier ist eine Dose mit 473ml (danke USA), das Große ist eine Glasflasche mit 1l. Die Chilenen dachten hier wohl “Hold my beer!” und hier ist das große Bier eine 1.2l Flasche. Ich trinke ja echt gerne Alkohol, aber irgendwann hört es sich auf - ein “großes Bier” und man bekommt 1.2l,…

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