Mit zunehmender Dauer der Reise stelle ich fest: Ich hätte mich mehr vorbereiten sollen. Und gleichzeitig auch wieder nicht, denn das weckt große Erwartungen und schränkt auch irgendwie ein. Wir wollten keine vorausgeplante Reise, sondern Flexibilität - wobei das eine etwas romantische Vorstellung aus den 80ern (oder eher noch früher) ist. Ich hab das in Myanmar erlebt vor einigen Jahren, wo man Flüge nicht online buchen konnte - da geht’s dann nur darum “gibt es einen Platz?” und man bekommt einen Ausdruck (von diesen lustigen Endlospapier-Nadeldruckern), mit denen man zum Flughafen geht. In halbwegs entwickelten Staaten kann man sich das abschminken, da ist fast jede Information online verfügbar und damit natürlich auch alles, was nicht zum Vorteil des Reisenden ist. Steigende Preise je näher die Abreise kommt - da wird Flexibilität schnell zum Bumerang. Denn wenn man verfolgen kann, wie die Preise jeden Tag steigen, dann wird die Flexibilität belastend - sofern man kein unbeschränktes Budget hat.
Drum hatten wir in Ushuaia nur drei volle Tage und ich wäre gerne länger geblieben - aber der Flug war schon gebucht. Das ist da ja auch nicht ganz so einfach, denn es gibt nur wenige Flugverbindungen. Oder man nimmt endlose Busfahrten in Kauf, man ist da einfach verdammt weit weg von allen Zentren dieser Welt.
Und das kam so: Von Punta Arenas, diesem sicher wunderbaren Ort in Chile, der uns aufgrund der Umstände eher negativ in Erinnerung bleiben wird (Pinguine und Hunger), ging es mit dem Bus nach Ushuaia. 9 Stunden Fahrt, aber eigentlich alles ganz gut - nach dem relativ unkomplizierten Grenzübertritt von Chile nach Argentinien bekamen wir sogar ein Sandwich im Bus. Herrlich. Und auf den letzten 50km vor Ushuaia offenbart sich schon die beeindruckende Landschaft - nachdem man zuerst recht lange übers flache Land gefahren ist.



Ushuaia liebt den Titel “Fin del mundo”, also das “Ende der Welt” und irgendwie stimmt es ja auch. Die wirklich großen Städte Buenos Aires und Santiago de Chile sind mindestens dreieinhalb Flugstunden entfernt. Dennoch ist das schon eine Kleinstadt mit 80.000 Einwohnern, sowohl der Containerhafen als auch der Passagierhafen sind auffallend groß - Ushuaia ist ein beliebtes Ziel für Kreuzfahrten und durch die Lage am Beagle Kanal auch logistisch nicht ganz unwichtig. Und, womit ich eben nicht gerechnet hätte, ein wirklich schöner Flecken Erde, der mich sehr an Österreich erinnert hat. Hohe, recht schroffe Berge, Wald, schöne Natur - na gut, und Meer bzw. den Beagle Kanal. Dieser Kanal ist benannt nach dem Schiff “Beagle”, mit dem Robert FitzRoy, diese Wasserstraße 1831 entdeckt hat. Der Beagle Kanal hat eine gewisse Bedeutung (wenn er auch unbekannter ist als die Magellanstraße), da er ein direkter Weg vom Atlantik in den Pazifik ist - ohne dass man um das Kap Hoorn herum muss.
Ushuaia ist eben wie gesagt ein stark frequentierter Hafen, einerseits für Kreuzfahrten ums Kap Hoorn (Buenos Aires - Santiago de Chile), andererseits als Startpunkt für Fahrten in die Antarktis. Hätte uns natürlich auch gereizt, aber hätte unser Budget gesprengt, daher haben wir uns mit einer kleinen Bootsfahrt begnügt. Durch den Beagle Kanal, vorbei an Blauaugenscharben (die ausschauen wie Pinguine, aber eben keine sind - dafür kommen diese netten Gestalten ausschließlich in Feuerland vor.
[Einschub Steffi: nein, es handelt sich hierbei nicht um Kakerlaken ^^ Blauaugenscharben sind Vögel, die aus der Entfernung ziemlich wie Pinguine aussehen - Anfangs waren wir fix überzeugt “Ah, schau - da sind wieder Pinguine! Wirklich? Pinuguine, bist dir sicher? Ja, schau’s dir an, schwarz/weiß, liegen und watscheln herum, eindeutig Pingine”, aber nein: als einige Exemplare dann begannen, sich, wenn auch bissl unbeholfen, in die Lüfte zu erheben, mussten wir feststellen, nope: keine Pinguine 😅]) bis zum vorgelagerten Leuchtturm, wo es sich Seelöwen bequem gemacht haben.
[Einschub Steffi: Und was ich nicht wusste… Seelöwen stinken, die stinken von Weitem… noch bevor wir sie sehen oder gar hören konnten… konnten wir sie schon riechen 😶]
Die gesamte Szenerie ist unglaublich schön, das ist schon ein wirklich beeindruckend pittoreskes Fleckerl Erde.








Am nächsten Tag gingen wir auf eigene Faust wandern. Wir hatten eine kleine Hütte gemietet und haben einen feinen Wanderweg direkt von unserer Hütte weg gefunden - auf den Cerro del Medio und weiter zur Laguna Margot. Gehzeit rund 2h hinauf auf 900m - zuerst hat man spektakuläre Ausblicke auf Ushuaia und dann wird es beeindruckend kalt oberhalb der Baumgrenze. Man wandert selbst im hiesigen Hochsommer an Schneefeldern vorbei zu einer Lagune. Da erklärt sich auch, warum die Antwort des UBER-Fahrers auf die Frage, wie denn die Winter hier seien, nur ein “Hart!” war.





Für mich war die Zeit in Ushuaia zu kurz, da mich die Landschaft komplett gefangen hat. Und auch dass es so abgelegen und dennoch so lebendig ist, hat mich fasziniert. Was hier aber gut her passt, weil es eigentlich bisher überall in Argentinien aufgefallen ist: Der verlorene Krieg um die Falkland-Inseln ist für die Argentinier ein riesiges Trauma, das heute noch nachwirkt. Überall sieht man den Schriftzug “Las Malvinas son argentinas!” (“Die Falkland-Inseln sind argentinisch!”) - Ushuaia war früher auch Hauptstadt für die Malvinas. Die Kurzfassung zum Falkland-Krieg: Ganz so einfach ist es nicht. Angefangen von den nicht ganz so eindeutigen Besitzansprüchen der Argentinier, über die Sicht der Bewohner der Inseln (die nicht zu Argentinien wollen) bis hin zum Ausbeuten der Bodenschätze durch die Briten. Wie fast immer, es lässt sich da nicht alles so einfach in Gut und Böse unterteilen.
Und zusätzlich spannend: Argentinien und Chile hatten seit jeher Streit wegen des Beagle Kanals bzw. wegen einiger vorgelagerter Inseln. Es gab Urteil eines internationales Schiedsgericht, das den Chilenen Recht gab - und von Argentinien ignoriert wurde. Dies war aber auch ein Grund, warum sich Chile auf die Seite der Briten im Falklandkrieg stellte, warum der chilenische Diktator Pinochet schließlich nach Großbritannien floh und warum heute noch weite Teile Argentiniens vermint sind. Schade dass mir solche Zusammenhänge im Geschichtsunterricht nie beigebracht wurden. Aber natürlich ist es einfacher, wenn man es vor Ort sieht, erlebt und auch erzählt bekommt (unsere Guide bei den Gauchos war da sehr emotional, wenn es um die Malvinas ging).