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Die gefährlichste Straße der Welt - Camino de la muerte

Das Reisen beinhaltet aus unserer Sicht immer eine gewisse Doppelmoral - wir sind natürlich gegen Massentourismus, gegen Over-Tourism, aber für sanften, individuellen Tourismus, bei dem man Land und Leute kennenlernt. Ja eh. Dennoch folgen wir auf vielen Strecken den typischen touristischen Trampelpfaden. Ich lache in Österreich immer über die Aufschriften auf den typischen Touristenbussen: Salzburg - Hallstatt - Wien. Und gleichzeitig macht das ja auch Sinn, wundert man sich wirklich dass da nicht Radstadt - St.Pölten - Eisenstadt steht? Und ähnlich verhält es sich bei den Dingen, die wir unternehmen. Die Tango-Show in Buenos Aires war furchtbar touristisch, ebenso der Abstecher zu den Gauchos, aber gleichzeitig ist das schon etwas typisches für die jeweilige Region. Wenn ich das auf Österreich umlege: Irgendwelche Mozart-Aufführungen oder Trachten-Abende sind sicher oft touristisch - aber findet jemand, dass das nicht irgendwie zu Österreich gehört? Trachten, klassische Musik, Mehlspeisen, Skifahren - das sind Dinge, die ich definitiv als österreichisch, als unsere Kultur bezeichnen würde und ich verstehe völlig, dass jemand, der 10.000km zu uns reist, genau das sehen will.

Das führt uns zu unserer Tour auf dem Camino de la muerte - der “Todesstraße” nahe La Paz in den Anden. Ist DIE Touristenattraktion, man sagt völlig überlaufen, aber irgendwie gehört es dazu und wir haben diese Tour auch gemacht.
Der Camino de la muerte ist eigentlich die Yungas Straße, eine Passstraße über die Anden, die La Paz mit dem Dschungel verbindet. Sie wurden in den 1930er Jahren gebaut und bis 2007 genutzt. Sie beginnt auf knapp 4.700m auf dem La Cumbre Pass (etwa eine Fahrstunde von La Paz entfernt) und schlängelt sich dann entlang der Andenrücken bis tief in den Dschungel auf 1.200m nach Coroico. Und es ist und war eine Schotterpiste ohne großen Absturzschutz, wo die Abhänge unmittelbar neben der Straße mindestens 30m, an den höchsten Stellen aber über 1.000m senkrecht nach unten gehen. Der Haken war, dass diese Straße zweispurig genutzt wurde, tatsächlich aber über weite Strecken eigentlich nur einspurig war. War diese Strecke ohne Gegenverkehr schon gefährlich genug, da sich hier jeder Fahrfehler, jedes Rutschen bei einem Absturz fast zwangsläufig tödlich ausgewirkt hat, musste bei Gegenverkehr halsbrecherisch an die Geländekante ausgewichen werden, wo es daneben eben senkrecht nach unten ging - Leitplanken sind hier die Ausnahme. Pro Jahr starben hier zwischen 200 und 300 Menschen (daher “Todesstraße”), 1983 stürzte ein Bus in den Abgrund und alle 100 Insassen starben - bis heute der schlimmste Verkehrsunfall in der Geschichte Boliviens. Erst 2007 wurde eine moderne Straße gebaut, die aufgrund der Steigungen und den zahlreichen Kurven alles andere als sicher ist, aber sich mit dem Camino de la muerte nicht mehr vergleichen lässt.
Ich hatte davor schon Dokumentationen darüber gesehen, wusste aber nicht, dass das wirklich die einzige Straße war, auf der man von La Paz in den Dschungel kam. Und im Dschungel wurde viel angebaut (v.a. Gemüse, aber nicht zuletzt auch die hier völlig normalen und legalen Coca-Blätter), Arbeiter mussten den Weg zurück legen und es wohnten auch Menschen im Dschungel (hauptsächlich die Nachkommen der paraguayanischen Sklaven, die den Camino de la muerte überhaupt erst erbauten) - und diese Wahnsinnsstrecke war wirklich die einzige Möglichkeit vom Dschungel nach La Paz zu kommen. Dass dort LKW und Busse fuhren, ist waghalsig und einfach unglaublich.

Hier ein kleiner Einblick, wie das früher ausgesehen hat.

2007 wurde die neue Straße eröffnet, der Camino de la muerte blieb aber als Straße nutzbar und man darf dort auch noch mit Autos fahren - so man das will. Die Hauptnutzung erfolgt heute aber durch Mountainbiker, die die Schotterstrecke 80km von 4.700m auf 1.200m nach unten befahren. So auch wir.

Natürlich ist es gefährlich, denn links von dir geht es gleich einmal ein paar Hundert Meter senkrecht nach unten. Aber man muss auch sagen, dass hier LKW und Busse gefahren sind - also sollte man es als etwas geübter Radfahrer schon schaffen, nicht hinunter zu stürzen, wenn man es nicht übertreibt. Wir waren mit einer geführten Tour unterwegs und die Guides instruieren dich vor jedem Abschnitt, wo man aufpassen muss usw. Als Schutz vor Stürzen (nicht vor ABstürzen) trägt man verpflichtend Helm und unter der festen Jacke und Hose auch noch zusätzliche Schützer, da man beim Downhill schon ziemlich eine Geschwindigkeit erreicht.

Abgesehen von der sportlichen Herausforderung und dem Abenteuer, ist die Landschaft unglaublich schön und es ist ein irres Erlebnis von 4.700m zu starten - mit Pulli und Jacke unter der Ausrüstung - und die Übergänge in der Vegetation zu erleben, bis man bei tropischen Temperaturen im Dschungel ankommt. Bei jedem Stopp auf der Strecke wurde es eine Lage weniger, die man anhatte.
Beim Start auf 4.700m war es schon noch ziemlich kalt. Und wenn man die Zusammensetzung unserer Downhill-Touri Gruppe betrachtet, muss man sagen: wenn wir mit den Leuten in den USA unterwegs gewesen wären, hätten Steffi und ich für unsere Gruppe das Bier kaufen müssen (sprich: wir waren bei weitem die Ältesten).

Der erste Abschnitt geht auf der Asphaltstraße, die vom gesamten “normalen” Verkehr auch genutzt wird. Spannend war es v.a. wenn ein langsamer LKW von uns überholt werden musste.

Die restliche Strecke ging auf der Schotterpiste des Camino de la muerte, vorbei an unglaublicher Natur - und die Tourguides wussten natürlich, wo man die besten und spektakulärsten Fotos machen konnte, aber auch, wie man am besten den zahlreichen Schlaglöchern ausweichen konnte ohne zu viel Geschwindigkeit zu verlieren (eine besonders sturzgefährdete Kante bekam sogar den Spitznamen “Teeth Breaker” verpasst). Aber auch wenn da vieles auf die Show-Effekte ausgerichtet ist, das war schon wirklich ein fantastischer Tag und rein sportlich betrachtet: eine grandiose Downhill Strecke.

Die Instruktionen vor jedem Streckenabschnitt haben sich ausgezahlt und wir sind alle gut unten angekommen: Kurz und gut, wir dürfen uns “Survivor” nennen. Ohne Sturz und irgendwelche Blessuren und dass einem am nächsten Tag ob der ganzen Schläge auf der Fahrt der ganze Körper wehtut, das nahmen wir gerne in Kauf.


Es war ein krönender Abschluss unseres kurzen Abstecher nach Bolivien. Die bekannte Uyuni-Salzwüste haben wir ja ausgelassen, da wir (für uns) schon genug Eindrücke von Salzwüsten in den Salinas Grandes und in der Atacama-Wüste gesammelt hatten. Sucre wäre für einen Tag sehr spannend gewesen, aber hätte die eintägige Anreise und wieder eintägige Abreise für uns nicht gerechtfertigt. Santa Cruz ganz im Osten ist einerseits recht gefährlich als größte Stadt Boliviens und eher ein Sprungbrett für Mehrtagestouren in den Dschungel, was wir aber eher in Kolumbien oder Costa Rica machen möchten, drum blieb es bei La Paz und die weitere Reise führte uns nach Peru. Auch wenn es nicht sehr lange war, Bolivien war für uns eine Reise wert - wenn man auch merkt, dass es ein deutlich ärmeres Land ist als Chile.

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