Nachdem wir die Todesstraße überlebt haben, kann uns wohl nichts mehr erschüttern - und so haben wir uns nach knapp einer Woche von Bolivien in Richtung Peru verabschiedet.
Mit dem Bus ab nach Puno am Titicacasee – Bolivien und Peru teilen sich den Titicacasee, auf bolivianischer Seite liegt auf dieser touristischen Route Copacabana (gleicher Name wie der bekannte Strand in Brasilien) und die vorgelagerte Isla del Sol, auf peruanischer Seite die Kleinstadt Puno mit den Schilfinseln der indigenen Uros.
Wir gewöhnen uns ja auch schon dran: So kurz kann eine Strecke in Südamerika nicht sein, dass man nicht zumindest sieben, acht Stunden unterwegs ist. Und wir wissen auch schon, dass die Reisetage extrem anstrengend sind – hier der Überblick über diesen Reisetag mit der unglaublichen Distanz von 288km. Und in kaum 8h haben wir das auch geschafft. Zum Vergleich: Das ist etwa die Entfernung Wien-Salzburg.
Also mal der Schnellüberblick zum Schmunzeln: Aus dem Quartier gegen 7:00 morgens raus und ein Taxi organisieren, was nicht ganz so einfach ist, da es nur Sammeltaxis gibt und kein zu uns vergleichbares System. Hat dann mit Hilfe der Security unseres Hauses geklappt, beim Busbahnhof großes Suchen, wo wir „einchecken“ müssen (eine Passnummer muss man immer vor Ort angeben und sich daher auch beim Bus einchecken) – laut, voll, keine großen Anzeigetafeln, man sucht halt den entsprechenden Schalter.


Eingecheckt, Bus gefunden, Gepäck verladen – und kaum geht es los, bleibt der Bus schon wieder stehen: Man muss als Passagier ein Ticket für die Benutzung des Busbahnhofs kaufen und erst als das jeder erledigt hat, darf der Bus das Gelände verlassen.
Drei Stunden Fahrt und man muss wieder aussteigen, denn es steht eine See-Überquerung mit Fähre an, man muss sich wieder ein extra Ticket kaufen und mit einem extra Boot rüber. Warten bis auch der Bus kommt. Aber das war zumindest spannend zu beobachten und irgendwie war ich froh, dass wir nicht im Bus bleiben durften beim Übersetzen, denn das waren schon spannende Konstruktionen.




Wieder in den Bus und keine 30min später ist man in Copacabana. Wir denken uns, ok, ist halt sowas wie eine Station – nix da, eineinhalb Stunden Aufenthalt, Gepäck raus, denn es geht mit einem anderen Bus weiter.
Da wieder einchecken, Zollformular für die Ausreise aus Bolivien online ausfüllen, wo die einzige relevante Frage ist: Führen Sie große Summen Bargeld aus? Warum die Angabe des Jobs da elementar ist, weiß wohl nur ein bolivianischer Beamter. Wenigstens habe ich gelernt, dass die einfache Übersetzung von “Controller” auf “Controllador” nicht so gut klappt - Controllador ist der Mann am Flughafen mit den Leuchtstäben, der die Flugzeuge einweist. Sei´s drum, ist ja eh völlig egal was man da angibt. Wieder in den Bus, nach 15min Fahrt dann die Grenze: Wieder raus aus dem Bus und drei Station abgehen: Migration Bolivien, Zoll Bolivien, Migration Peru. Nach der Grenze wieder warten, weil beim Einstiegen in den Bus die Stempel im Pass kontrolliert werden. Dann ging es wirklich nach Puno ohne weitere Unterbrechungen.


Und da nutzt man nach einer gewissen Reisezeit wirklich ab, es dauert alles ewig. Alles was man locker automatisieren könnte, wird hier durch einen Mitarbeiter erledigt - die Arbeitskraft kostet halt sehr wenig. Die Straßen sind schlecht, die Prozesse völlig unklar und unsinnig – mal werden Fingerabdrücke an der Grenze genommen, mal nicht. Mal werden Fotos gemacht, mal nicht. Und welchen Sinn es haben soll, bei der Einreise keine Fotos zu machen, bei der Ausreise aber schon, erschließt sich wohl keinem denkenden Individuum. Bei jeder dämlichen Busfahrt muss man seine Passnummer und teilweise den Beruf angeben – es ist eine unglaubliche Bürokratie, die aber nie jemand überprüft und wo auch nicht klar ist, warum das überhaupt notwendig ist. Ich gebe zu, vieles was man am Anfang so herrlich „Hach, so ist das halt hier!“ hinnimmt, löst auf Dauer Kopfschütteln aus. Wir haben Zeit und es hat eh alles geklappt, aber bei der Onlinebuchung war nirgends erwähnt, dass es kein Direktbus und die Tickets haben um die € 20,- pro Person gekostet – diese lustige Busbahnhof-Benutzungsgebühr und das Fährticket pro Person in Summe etwa € 0,60 – könnte man dies nicht etwas effizienter lösen, Freunde?
Aber der Titicacasee war es wert – bzw. war es sogar eine ganz angenehme Fahrt, wir nehmen das ja immer locker, in der Umsteigepause haben wir uns zwei Pisco Sour in der Sonne gegönnt, die Fährfahrt war ganz lustig, aber man sieht halt schon, warum die Produktivität in Europa eine andere ist.
Aber zurück zum Wesentlichen, dem Titicacasee. Dieser ist der höchste schiffbare See der Welt auf 3.810m. Er ist für seinen Fischreichtum bekannt (Forellen sind etwas ganz typisches hier), leidet aber unter einer gewissen Verschmutzung durch legale und illegale Minen rundherum. Und durch die Höhenlage wird es in der Nacht bitter kalt – aber dazu später mehr.
Puno ist eine Kleinstadt - sehr entspannt, ruhig. Mit einigen schönen Plätzen, aber sonst wenig aufregend.







Wir waren uns nicht sicher, ob wir in Puno übernachten wollen oder auf einer der „indigenen Inseln“ und haben uns zum Glück richtig entschieden – nämlich für die Inseln.
Diese „floating islands“ (schwimmende Inseln) wurden von den indigenen Uros in der Inka-Zeit „erfunden“. Diese Inseln werden aus Schilf gebaut und wenn Gefahr durch die Inkas drohte, konnten die Uros mit diesen Inseln, auf denen ihre Häuser gebaut waren, auf den Titicacasee flüchten und waren vor den Inkas geschützt. Heute leben noch etwa 2.000 Uros in einer eigenen Community auf dem Titicacasee und haben den Tourismus als Einnahmequelle entdeckt. Wir haben eine tolle Hütte über AirBnB gemietet bei einer furchtbar netten Familie. Auch wenn sie eigentlich indigene Sprachen (die Muttersprachen unserer Gastgeber waren Aimara und Quechua) sprechen, so kann man sich auf Spanisch sehr gut verständigen. Um es klar zu stellen: Sie sprechen spanisch. Und ich halt so a bissal.
Unser Blick auf den Titicacasee für zwei Tage











Und natürlich haben wir darüber viel nachgedacht, denn bei Indigenen zu übernachten fühlt sich schon ein wenig seltsam an. Dringe ich da in ein eigentlich funktionierendes System als Tourist ein, bringe ich mehr Vor- als Nachteile für die Community? Das Gefühl blieb teilweise, aber Großteils empfanden wir den Tourismus hier als positiv. Wir haben mit unseren Hosts viel gesprochen und auch viel über die Geschichte und das Leben der Uros heute erfahren. Aufgrund der Struktur ist das hier kein Massentourismus, da fahren keine Riesengruppen durch und die Übernachtungsmöglichkeiten sind limitiert, wodurch sich das System von selbst reguliert.
Aber zurück zu den Uros, abgesehen vom Tourismus leben sie noch sehr traditionell, haben ihre eigenen Sprachen und Traditionen. Es gibt in der Community 4 Schulen für rund 50 Kinder, mehrere Restaurants, ein kleines „Krankenhaus“ für Notfälle, einen (kleinen) Fußballplatz – und wir haben mehrmals gehört, dass es keinen Basketballplatz gibt – das haut auf nicht ganz stabilem Untergrund nicht so gut hin.






Die Community wählt jährlich einen Präsidenten, der sich für das Wohl der Uros einzusetzen hat. So konnte erreicht werden, dass jedes Haus eine kleine Photovoltaik-Anlage bekommen hat. Zumindest für uns Touristen gab es sowas wie Campingtoiletten und in Summe wirkt das Wasser nicht schmutzig oder stinkt auch nicht – sicht- oder spürbare Verschmutzungen gibt es nicht.
Jedes Haus ist eine Insel für sich und entweder haben die Familien eigene Boote oder es gibt auch so etwas wie einen Taxiservice. Die traditionellen bunten Boote mit den Puma-Köpfen sind heute hauptsächlich für die Touristen oder für verliebte, junge Paar, die mal ungestörte Zweisamkeit genießen wollen.


Wir haben die Tage genossen und stundenlang auf den Titicacasee geschaut. Es gibt viele Wasservögel und die Inseln schwanken immer wieder ein wenig, wenn Boote vorbeifahren. Das Wetter wechselt hier extrem schnell und wir hatten jeden Tag alles von Sonnenschein bis zu heftigen Schauern.
Und wir haben wohl noch nirgends auf der Reise so gut und viel geschlafen. Die Fenster sind dünn, es gibt praktisch keine Isolation und in der Nacht gehen die Temperaturen Richtung Null Grad – es wird als sehr schnell frostig. Weil ich das gar nicht so beschreiben könnte, hier ein kleines Video als Einblick in den „Kälteschutz“:
Und zu guter Letzt zwei Bilder, die einfach nirgends dazu gepasst haben. Ich möchte sie euch aber nicht vorenthalten. Bei unserem Besuch in Puno waren wir am Markt und haben Obst eingekauft - natürlich solches, das wir schon kannten (Bananen, Drachenfrucht), aber dann auch einiges, das wir nicht kannten. Das ist hier schon sehr angenehm, die Fülle an Früchten ist unglaublich.
Und dann noch ein Werbeplakat, wo ich nur hoffe, dass es die Peruaner auch lustig finden - ich find`s herrlich. Lamas wohin man schaut…