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Ciudad Perdida - unbeschreibliche Tage im kolumbianischen Dschungel


Nach Abreise unserer Reisebegleitung Eva ging unsere Reise wieder zurück ostwärts an der Karibikküste nach Santa Marta. Einerseits weil Santa Marta eine angenehme Kleinstadt mit einem schönen Stadtkern ist und andererseits weil von Santa Marta aus die Touren in den kolumbianischen Dschungel zur Ciudad Perdida, der verlorenen Stadt, starten - und das wollten wir auf keinen Fall auslassen. Auch wenn wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten, worauf wir uns da eigentlich einlassen.

Zuerst aber mal Santa Marta, die Stadt erkunden, ein wenig tauchen/schnorcheln und alles für den Trip in den Dschungel vorbereiten.

 

Santa Marta hat rund eine halbe Million Einwohner und einen bedeutsamen Hafen, der Vorort El Rodadero ist ein auch bei Kolumbianern beliebter Ferienort. Speziell die Innenstadt ist sehr touristisch, der extrem laute Partybereich beschränkt sich aber auf einige wenige Straßen und rundherum ist es eine sehr entspannte Stadt mit vielen kleinen Lokalen und Geschäften. Auch hier haben wir wieder eine Stadttour mit einem Local gemacht, der die Stadt als sehr sicher bezeichnet hat. Insgesamt kann man sich hier leicht wohlfühlen, ganzjährig Temperaturen um die 30° untertags - dass es hier fast überall nur Duschen ohne Warmwasser gibt, fällt uns kaum noch auf.

Bekannt ist Santa Marta abseits vom Tourismus aus zwei Gründen:
(1) Es ist die erste Stadt, die von den spanischen Conquistadores in Südamerika gegründet wurde - nämlich 1526 von Rodrigo de Bastidas, dessen Grab sich seit 1953 in der Kathedrale Santa Martas befindet.
(2) Und es ist der Sterbeort eines extrem wichtigen südamerikanischen Befreiers, nämlich Simón Bolivar. Bolivar ist in vielen Ländern Südamerikas omnipräsent und wohl überall gibt es Plätze und Straßen, die nach ihm benannt sind - und natürlich das ganze Land Bolivien sowie die Währung desselben (der “Bolivar”). Er kämpfte im 19.Jhdt im damaligen Großkolumbien (Kolumbien, Panama, Ecuador, Venezuela) und den Nachbarstaaten Peru und Bolivien um Unabhängigkeit von den spanischen Eroberern. Wie so oft in der Geschichte, in gut und böse lässt sich nicht immer alles so einfach einteilen, jedenfalls ernannte sich Bolivar nach turbulenten politischen Jahren im Jahr 1828 zum Diktator Großkolumbiens, was noch mehr Widerstand bei seinen Gegner hervorrief und ihn schließlich 1830 zum Rücktritt zwang. Er wollte sich ins Exil nach Europa oder in die Karibik zurückziehen, verstarb auf dieser Flucht aber an Tuberkulose in Santa Marta. Sein Grab befand sich 13 Jahre in der Kathedrale von Santa Marta, bevor sein Leichnam in sein Geburtsland Venezuela zurück überstellt wurde.
Schon ein spannendes Zusammentreffen der Überreste zweier Personen in einer Kathedrale (wenn auch nicht gleichzeitig): Der spanische Eroberer und der südamerikanische Befreier.

Nach einigen Tagen haben wir uns dann zu unserer Wanderung in die Ciudad Perdida, die verlorene Stadt oder in der Sprache der Indigenen “Teyuna”, aufgemacht.

 

Diese Ruinenstadt hat ihren Ursprung etwa 900 vChr, wurde in der heutigen Form ab dem 11.Jhdt errichtet, beherbergte in der Hochzeit bis zu 8.000 Personen der indigenen Gruppe der Tairona und wurde mit dem Erscheinen der Spanier 1650 aufgrund der eingeschleppten Krankheiten verlassen - die Spanier haben aber nie einen Fuß in diese heilige Stadt gesetzt. Sie begnügten sich damit, Krankheiten zu den Indigenen zu bringen. 1972 wurde diese Stadt wieder entdeckt, als Tourismusziel kennt man sie seit den 2000er Jahren. Sie gilt als zweitwichtigste wiederentdeckte Stadt der präkolumbischen Zeit nach Machu Picchu.

Die Geschichte ist da sehr spannend: Diese Region wurde seit den späten 1960er Jahren als Drogenanbaugebiet genutzt, wobei sich die (rechten) Paramilitärs mit den (linken) Guerillas (FARC und ELN) bekriegten - die Bauern und Indigenen standen dazwischen. Die Paramilitärs entdeckten als Erste den Tourismus als Geldquelle und veranstalteten Touren zur verlorenen Stadt. Das gefiel den Guerillas natürlich nicht und daher entführten diese im Jahr 2003 acht Touristen. Die Geiseln kamen nach einiger Zeit wieder frei, aber die Touren waren bis 2005 unterbrochen. Durch die internationale Aufmerksamkeit erhöhte sich auch der Druck auf die kolumbianische Regierung und so kam es im Jänner 2006 zur “Desmovilización”. Dem Angebot der Abgabe von Waffen und dem Aufgeben des Drogenanbaus bei Zusicherung von Straffreiheit. Den Bauern und Indigenen musste man aber auch ein Angebot machen, wie sie weiter in dieser Region leben könnten und so bot sich der Tourismus an: Bei den Touren heute sind lokale Guides verpflichtend und ein (kleiner) Teil der Gebühren geht an die Indigenen. Diese können je nach Community entscheiden ob sie sich dem Tourismus öffnen möchten oder nicht.
Das alles hat uns unser Guide erzählt, der vorher ein Bauer war. Er war absolut glaubhaft, wenn er sich dafür bedankte, dass es Tourismus hier gibt und er von der Geschichte der Indigenen und den Locals erzählen kann. Er hat übrigens davor Coca angebaut und (Zitat) “andere Dinge gemacht, die er nicht hätte machen sollen”.
Es gibt Communities, die sehr offen dem Tourismus gegenüber sind und andere, die man als Tourist nicht betreten darf. Ich hab ja eher immer “Übertourismus” im Kopf und was auch wir mit unseren Reisen mit zu verantworten haben, aber hier war es wirklich glaubwürdig, dass wir eher positiv als negativ auf die lokale Bevölkerung wirken.

Die Bedeutung der Ciudad Perdida für Kolumbien kann man auch daran erkennen, dass zahlreiche Bezüge auf dem 50.000 Peso-Schein Kolumbiens abgebildet sind. Einerseits die indigenen Tairona, dann die Hütten der Indigenen und auch die Ciudad Perdida an sich. Auf der anderen Seite ist übrigens der kolumbianische Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez abgebildet - falls das jemand von euch mal bei einer Quizshow gefragt wird.

Die Frage bleibt natürlich “für wie lange” der Tourismus gut für die Bevölkerung ist, aber aufgrund der Lage ist die Ciudad Perdida eher ein Minderheitenprogramm als die Mainstream-Destination. Seit 2010 sind Hubschrauberlandungen für touristische Zwecke verboten und der einzige Weg in diese verlassene Stadt zu kommen, ist eine mehrtägige Wanderung durch den Dschungel über einen (offiziell) 44km langen Trek (GPS Trackings bei der Wanderung gingen eher Richtung 60km). Wir haben das gemacht und ich glaube, dass ich in meinem Leben noch nichts so Anstrengendes unternommen habe. Und nicht nur deshalb waren das unbeschreibliche 4 Tage.

Man verbringt 3 Nächte/4 Tage im Dschungel und wandert jeden Tag 6-7 Stunden - was ja noch nicht so extrem wäre, aber es geht fast durchgängig entweder steil nach oben oder steil nach unten (Höhendifferenz in Summe in diesen vier Tagen waren 2.200m), feucht, heiß, teilweise schlammiger Untergrund. Und ganz am Ende über 1.200 Stufen bis in die verlassene Stadt. Ich mag es an meine Grenzen zu gehen und ich kann sagen: Da habe ich sie erreicht, wenn es mehr gewesen wäre, hätte ich schon auf Notreserven laufen müssen.

Das einzige Transportmittel sind Mulis, die auch jene aus dem Dschungel transportieren, denen es doch zu viel wird oder die erkranken. Waren bei unseren zwei Gruppen drei von 25 Personen.
Die Camps werden ebenfalls von den (ehemaligen) Bauern bzw. Indigenen betrieben und auch das war ein spannendes Erlebnis. Stockbetten wie in einer Turnhalle, natürlich alles offen (so richtig kalt wird es im Dschungel ja nicht) - abgesehen von den obligatorischen Moskitonetzen. Kaltwasserduschen, einfache Toiletten - aber das hat schon alles gepasst. Luxus ist es nicht, aber man ist mitten im Dschungel, was soll man sich da erwarten.

Strom gibt es nur sehr eingeschränkt, da teilweise mit Generatoren gearbeitet werden muss - und natürlich gibt’s auch kein Internet oder Telefon. Kein Strom führt aber auch dazu, dass man für ein paar Tage seine Tage stark an die Natur anpasst. Generator an und damit Licht um 5:00 morgens (rundherum noch alles stockdunkel), Frühstück um 5:20, Abmarsch spätestens um 6:00 mit dem ersten Dämmern um die kühleren Phasen des Tages auszunutzen. Das hat dazu geführt, dass unser Mittagessen am zweiten Tag um 10:30 stattfand. Abends spätestens um 21:00 im Bett. Das ist so gar nicht unser Rhythmus, aber wir müssen zugeben: Es war super.

Am dritten Tag erreichten wir die Ciudad Perdida gegen 7:00 - menschenleer. Mit fantastischen Blicken auf diesen heiligen Ort.

Wir haben drei Stunden in der verlorenen Stadt verbracht und brachen dann wieder zum Rückweg auf. Denn was man hin in mehr als zwei Tagen abspult, muss man zurück in eineinhalb Tagen erledigen - nachdem der Rückweg aber stärker abwärts geht, war es machbar. Aber um ehrlich zu sein: Wir kamen in unserem nächsten AirBnB in Santa Marta gegen 15:30 an, ich hab geduscht, mich ins Bett gelegt und mich erst am nächsten Morgen wieder aus dem Bett gewälzt. Ich war platt. Aber sowohl das Erleben dieser heiligen Stätte, wenn es mit so viel Aufwand verbunden ist, wie auch das Wissen, dass wir das geschafft haben - es ist eine großartige Erfahrung, die wir sicher nie vergessen werden.

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