Zum Ende unseres Roadtrips haben wir noch drei Tage in Salta verbracht - wie angekündigt mit wenig Programm und viel Nichts-Tun. Salta ist die Provinzhauptstadt und ich erwartete mir, dass das eine Kleinstadt ist (so wegen „arme Gegend und abgelegen“), aber die Stadt hat über 500.000 Einwohner, im Großraum sind es sogar über 700.000 Einwohner. Von San Salvador de Jujuy kommend fährt man knapp vor Salta an ein paar Reichen-Siedlungen vorbei, wo man auch denken könnte, dass man gerade in Beverly Hills unterwegs ist. Aber all diese eingezäunten, geschützten Siedlungen - seltsam. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich denke immer an meine liebe Freundin Erika, die meint, dass die Reichen nur gut leben können, wenn es auch den Armen nicht zu schlecht geht. Und das hat schon was, einerseits ist es ja toll, wenn meine Nachbarschaft schön, gepflegt und sicher ist, aber braucht es dafür wirklich Mauern und Stachelzäune um meine Siedlung? Das sind schon immer Momente, wo ich dankbar bin, bei der Geburtslotterie gewonnen zu haben und in Österreich zu leben – ich würde in Wien in der Nacht niemals dran denken, dass ich doch überfallen werden könnte. Nicht dass es diese Gefahr nicht geben könnte, klar, zur falschen Zeit am falschen Ort, ich denke das kann dir überall auf der Welt passieren. Aber hier ist diese Gefahr so präsent und Argentinien ist sicher nicht das gefährlichste Land auf unserer Reise…
Salta an sich ist eine wunderbare Stadt mit vielen gut erhaltenen Kolonialbauten. Ich erspare hier die geschichtlichen Details, jedenfalls wurde sie im 16.Jhdt gegründet, durchlebte dann zahlreiche Krisen und wuchs erst im 20.Jhdt durch Zuwanderer aus Italien, Syrien und dem Libanon (das nur angemerkt, weil ich es spannend fand). Wie bei vielen argentinischen Städten ist besonders der Hauptplatz interessant und viele sind nach bedeutenden Daten benannt. In Salta ist es wieder einmal der 9.Juli („Plaza 9 de Julio“) – der Tag der Unabhängigkeit Argentiniens von Spanien. Die wunderschöne Kathedrale befindet sich hier, ebenso das archäologische Museum (das wir auch besucht haben) und rund um den Platz gibt es zahlreiche Restaurants und Hotels.









Das archäologische Museum (“Museo de Arqueología de Alta Montaña”) ist zwar durchaus spannend anzuschauen, weil es die Geschichte der Region (und damit auch der Inkas) darstellt, aber sehr klein und aus meiner Sicht wenig spektakulär. Beeindruckend ist aber ein “Exponat”, der Fund eines Kindes aus der Inka-Zeit - vergleichbar mit dem Ötzi, aber deutlich jünger. Wenn ich mich recht erinnere, wird die Zeit auf etwa 1530 geschätzt. Und ich gebe zu, dass ich geschichtlich nicht besonders gebildet bin und v.a. bei der Einordnung der Zeitalter über Kontinente hinweg meine Schwierigkeiten habe. Dass diese Mumie nur 500 Jahre alt ist, hat mich überrascht und dann habe ich gegoogelt, was denn in Österreich vor 500 Jahren passiert ist. Und da waren schon die Habsburger am Ruder. Ich gebe zu, mich hat das wirklich verblüfft, dass die Habsburger (theoretisch) die vorherrschende Inkakultur in dieser Region hätten treffen können.
Weg von meinem Erstaunen, am Abend vor unserer Abreise haben wir uns noch mit zwei Bekannten getroffen, die wir beim Roadtrip kennengelernt haben.
Die Geschichte dazu: Wir waren mitten in der Einöde bei den Salinas Grandes in einem kleinen Lokal, in österreichischen Dimensionen sowas wie eine kleine Imbissbude an einer Transitroute. Einfach, sehr einfach, aber man denkt sich halt, dass das noch immer besser als gar nichts ist. Ich wollte nur eine Kleinigkeit essen und wir werden von einem Radfahrer angesprochen, der eben gehört hat, dass wir Deutsch sprechen. Kurzfassung: Ein Deutscher (Simon), der mit einem litauischen Freund (Justas) mit dem Fahrrad von Mexiko bis an den Südzipfel Argentiniens radelt. Sie kamen aus Chile, hatten Hunger, aber in dieser abgelegenen Bude wollte man ihre chilenischen Pesos nicht akzeptieren. Drum fragten sie uns, ob wir vielleicht wechseln könnten. Und falls die beiden irgendwann bekannt werden mit ihrer Tour: Wir haben ihnen durch Geldwechsel zu zwei Schnitzeln verholfen. Ja, wir waren das! Wir hatten leider nicht mehr Bargeld dabei und brauchten selber noch etwas für unser Quartier, aber das Essen für sie ging sich aus.
Wir trafen sie am nächsten Tag wieder, als wir mit dem Auto nach Purmamarca unterwegs waren und haben nochmal Bargeld getauscht, damit sie besser durchkommen. Nummern getauscht und ausgemacht, dass wir uns in Salta wieder treffen. Was dann auch tatsächlich passiert ist. Das liebe ich wirklich an unserer Reise: Man trifft so viele Gleichgesinnte. Und das finde ich nach wie vor beeindruckend: Bei unserer Abschiedsfeier war der Tenor durchgehend, dass jede/r cool findet, was wir machen, aber niemand macht es selber. Und das hat mich tatsächlich verunsichert vor der Abreise: Mache ich das Richtige? Verscheiße ich gerade etwas? Wenn das so super ist, warum macht das niemand?
Und kaum ist man unterwegs, ist es genau umgekehrt. Man trifft lauter Menschen, die genauso ticken wie man selber. Aber viele noch extremer. Und man denkt genau in die andere Richtung: Sollten wir etwas Verrückteres machen als einfach gemütlich durch die Welt zu reisen? Wir haben mit Simon und Justas nur einen gemeinsamen Abend verbracht, aber ich wünsche den Beiden von Herzen alles Gute. Sie waren so beeindruckend, wenn sie davon erzählten, wie großartig eine Nacht auf einer dünnen Schlafmatte sein kann (sie haben ihre Zelte auf den Rädern dabei) und ich habe mich teilweise irgendwie geschämt, dass ich mir mit einem finanziellen Polster Sorgen mache. Aber für mich geht es irgendwie genau darum, mein Bezugsrahmen tickt ganz anders und ich mag es, zwischen diesen Welten hin und her zu springen. Egal wie, Simon und Justas, ihr seid verdammt coole Socken und ich kann gar nicht ausdrücken, wie viel Respekt ich vor eurer Reise habe.
Am nächsten Tag haben wir Salta mit der Billigairline FlySmart in Richtung Mendoza verlassen. FlySmart ist wie Ryanair, man bezahlt eigentlich für alle Extras. Aber der Flug dauert nur rund 2h – völlig egal, wir wollen von A nach B und sonst nichts. Drum würden wir auch nie für die Sitzplatzwahl bezahlen – und auch wenn es so wie hier nur etwa € 4,- pro Person sind. Da simma sture Prinzipienreiter, bei zwei Stunden isses egal wo wir sitzen – bringt mich und mein Gepäck an den Zielort und das passt. Und da war Flysmart wirklich einzigartig: Steffi und ich auf einer gemeinsamen Buchung. Sie sitzt in Reihe 10 – ich in Reihe 32. Und noch dazu ganz allein in Reihe 32, sie haben uns also bewusst auseinander gesetzt. Nett, die sorgen für funktionierende Ehen. NIcht ernst gemeint. Ich war für mich und die Krönung, ich hatte kein Fenster in der letzten Reihe – wurscht, wir sind (samt Gepäck) gut in Mendoza angekommen.
In Mendoza war eigentlich eher der Plan, dass wir entspannen, von Bodega zu Bodega ziehen und es uns gut gehen lassen. Dieses lockere Reisen hat ja den Nachteil, dass wir zwar schon grob wissen, wo wir hin wollen, aber wirklich geplant ist da kaum etwas. Mein Bild von Mendoza war wieder sehr naiv: Mendoza kennt man vom Rotwein, also bitte ein schönes Zimmer auf einem Weingut, ein Swimmingpool (es hat hier so etwa 30°) und das passt. Da gibt’s aber zwei Haken: Erstens sind die Weingüter halt nicht wirklich im Stadtzentrum, sprich man hängt dann dort fest, wenn man sich nicht ein Auto mietet. Und zum zweiten sind diese Unterkünfte recht teuer (etwa ab € 300,- pro Nacht) - wenn es überhaupt eine Verfügbarkeit gibt, weil wir ja alles recht zeitnah buchen.
Drum haben wir uns für das Mittelding entschieden: Ein Quartier in der Stadt und zumindest für zwei Tage ein Auto mieten um aus der Stadt rauszukommen.
Für den ersten Tag haben wir ein spätes Mittagessen und eine Führung samt Verkostung in einem Weingut in Stadtnähe reserviert und vorher die Stadt ein wenig angeschaut. Ich könnte die Beschreibung von Salta fast kopieren: Ein wunderschöner Hauptplatz (hier mal zur Abwechslung “Plaza Independencia”) und zusätzlich ein schöner Innenstadt-Fußgängerbereich mit zahlreichen Restaurants. Davon abgesehen erinnert mich Mendoza an amerikanische Vorstädte: Breite Alleen, aber fast alles auf den Autoverkehr ausgelegt. Und hier waren wir auch wieder stärker an die allgemeine Sicherheitslage in Argentinien erinnert: Auch wenn wir uns in keiner Sekunde unsicher fühlten und unsere Wohngegend sehr gepflegt und eher gutbürgerlich gewirkt hat, so war wieder alles vergittert und ein Haus bei uns ums Eck hatte auf dem hohen Zaun noch zusätzlich Elektrodrähte. Wirklich irritierend.
(Und, ach ja, zwei Hüte trage ich nur, wenn wir mit unseren Backpacks beladen unterwegs sind - mein Kopf ist groß, aber üblicherweise reicht ein Hut…)
Das Weingut “Los Toneles” war unsere Wahl, weil es gute Kritiken auf Tripadvisor hat und in Mendoza einfach mit UBER zu erreichen ist. Was soll ich sagen: Feines Essen im dortigen Café (Aida würde neidisch werden, so pink wie da alles war) und die Verkostung war sehr gut - argentinische Rotweine sind einfach fein. Bei der Führung fiel auf, dass sie teilweise den Wein in Betontanks lagern - ansonsten halt ein Weingut, wie es wohl schon jeder mal in Österreich besucht hat.




